Irgendwann stand er auf und absolvierte seinen Dauerlauf, mit welcher Musik in den Ohren, das wurde nicht überliefert. Das Wetter ließ an diesem Tag eine Benutzung der anderen Dachterrasse nicht zu, und so setzte er sich zum Frühstück, bei dem heute ein Konzert von Miles Davis an der Reihe war, das er am 25. Juli 1969 auf dem festival de jazz d’Antibes Juan-les-Pins gegeben hatte,* in den leeren Wintergarten. Dieses Konzert und das an dem Folgetag, das Hans Köberlin in einer der nächsten Runden hören würde, fanden unmittelbar vor den Studiosessions im August, aus denen dann Bitches Brew hervorgehen sollte, statt, es gab da noch nicht die doppelt besetzte Rhythmussektion, aber Chick Corea spielte bereits in seiner typischer Manier auf dem E-Piano. Auf dem Programm standen Stücke aus der Zeit vor der Bitches Brew-Zäsur, von ’Round Midnight und Milestones bis zu It’s About That Time, sowie Miles Runs The Voodoo Down und Sactuary, die dann auch auf dem Doppelalbum erscheinen sollten. Hans Köberlin hatte ein wenig den Eindruck, man traute dem Publikum noch nicht alles zu, was man damals schon draufhatte,** es war aber ein gelungenes Konzert, vor allem Wayne Shorter hatte beeindruckende Soli.
* Wir hatten ihn bereits einmal auf dieser Veranstaltung, sechs Jahre zuvor, siehe oben während des zweiten Besuchs der Frau S. 857.
** »1969 tauchten bei Live-Auftritten noch keine Rockelemente auf. Die ununterbrochenen Sets waren noch immer von harmonischer Abstraktion geprägt, und die oftmals sehr kraftvollen Polyrhythmen waren im Grunde immer noch jazzig. Stimmungswechsel und thematisches Material der Sets waren festgelegt, aber letztendlich zentrierte sich alles um Miles Davis’ Trompetenspiel, das der Musik die Richtung wies.« (Ian Carr, Miles Davis. Eine kritische Biographie, Baden 1985, S. 194). »Harmonische Abstraktion« war die treffende Bezeichnung, die Hans Köberlin nicht eingefallen war.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 991).