Montag, 6. April 2015

Blumenberg, wie immer genial

Ein Kriterium für intellektuelle Gesundheit ist die Spannweite von Unvereinbarkeiten im Hinblick auf ein und dieselbe Sache, die ausgehalten wird und dazu noch Anreiz bietet, Gewinn aus der Beirrung zu ziehen.

Nochmals Rabelais

Beati lourdes, quoniam ipsi trebuchaverunt.

Machiavelli und Ascenseur pour l’échafaud

Am Donnerstag, dem 23. Januar 2014, zitierte, wie Hans Köberlin noch erfahren sollte, das Kalenderblatt des Zitatenkalenders Machiavelli: nur durch die Armut und durch den Reichtum seien wir ungleich. Nun, das galt, so Hans Köberlin, aber nur unter gewissen Gesichtspunkten … es gab ja auch noch die gute alte Geschlechterdifferenz … Nur durch … nur durch …: das waren so wohlfeile Weisheiten, verkündet nach Tageslaune … Und Hans Köberlin sollte sich dann, als er das las, weiterhin sagen, daß diese angesprochene ökonomische – und damit politische! – Ungleichheit – selbst bei gleichen Ausgangslagen – eine soziale Konstante sei, resultierend aus verschiedenen Interessen …: der eine interessierte sich eben für ungleichen Besitz beziehungsweise willkürliche Machtverteilung (wobei ›ungleich‹ beziehungsweise ›willkürlich‹ dem daran Interessierten immer ›mehr als‹ bedeutete), der andere für das (ihm) ungleiche Geschlecht, von dem er nie genug bekommen konnte (wobei es gegen willkürliche Geschlechterdifferenzen keine Einwände gab) …; und mit ärmer und reicher, wegen ihm auch mit stinkreich, damit hatte Hans Köberlin sich arrangiert, aber man hatte es mit der Zivilisation noch nicht sehr weit gebracht, so sagte er sich, solange man wirkliche Armut und wirkliche Not duldete oder billigend inkaufnahm, ja sogar bewußt produzierte, um Druck von unten auszuüben … wobei da dann auch das ›wirklich‹ zu definieren wäre. Edmond de Goncourt hatte irgendwann 1890 notiert, Geld sei eine schmutzige Angelegenheit und könne nur durch Quantität rehabilitiert werden …  wohl war, wohl war. – Wie dem auch sei, nach dem Blick in die Filmkalenderblattsammelkiste wußte Hans Köberlin, was er heute im Verlauf des Tages hören würde, denn auf dem Blatt vom vergangenen Jahr sah man eine besorgte Jeanne Moreau (*1928) am Telephon. Sie konnte ihren Geliebten nicht erreichen und ahnte ergo da noch nicht, daß die perfekt geplante Ermordung ihres Gatten durch ihn, ihren Geliebten, wegen eines steckengebliebenen Aufzugs ruchbar werden würde … Wir müssen wohl immer noch nicht sagen, daß –, können uns aber diesmal nicht verkneifen zu sagen, daß das Still aus Louis Malles Klassiker Ascenseur pour lʼéchafaud (1958) und daß der Soundtrack, den Hans Köberlin, wie gesagt, später am Tag hören sollte, von Miles Davis stammte …*


* Außer der Geburtstag von Jeanne Moreau war der 23. Januar auch der Geburtstag von Hark Bohms Sohn Uwe (*1962), weshalb das Blatt von 2012 ein Still aus Nordsee ist Mordsee zeigte (da kam der Soundtrack übrigens von Udo Lindenberg, den Hans Köberlin bei jeder Tatort-Episode trommeln hörte und dessen Solokarriere er, Hans Köberlin, während seiner Pubertät – ein schwieriges Alter – über die ersten vier-fünf Alben verfolgt hatte), und schließlich war es noch der Geburtstag von Dan Duryea (*1907), den man 1997 neben June Vincent in William Neills The Black Angel (1946) sehen konnte, und es war der Todestag Humphrey Bogarts (†1957; eines der Kalenderblätter hatte wieder irrtümlich ein ›*‹ gesetzt).

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis 30. Januar 2014).