Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Freitag, 4. Dezember 2015
Mittwoch, der 4. Dezember 2013
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»Ich ging eine Treppe hoch, ging hoch zu dem im zehnten Stock des Hochhauses mit den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universität der Hansestadt gelegenen philosophischen Institut. In Gedanken versunken ging ich einige Treppen zu weit und war plötzlich im Wartungstrakt des Gebäudes unter dem Dach. Schnell kehrte ich um und lief die Treppen wieder hinunter. Ein Student saß da und trank einen Kaffee, er saß so da, daß ich beim Hinabsteigen der Treppe seinen Kaffee fast umgeschüttet hätte. Ich herrschte ihn an, was er da so auf der Treppe sitzen würde, daß ich fast über seinen Kaffee gestolpert wäre. Da wiederum fiel ein chinesisches Ehepaar über mich her, sie hätten die Aufsicht über diesen Ort, meine Unverschämtheiten wären bekannt und typisch für mich und so weiter, sie beschrieben mein unmögliches Verhalten in Metaphern, denen ich zum Teil nicht folgen konnte (so ein chinesischer Kram halt, Tao- und Zenweisheiten und Haikus* oder Koans). Ich sah ein, daß ich übertrieben hatte (daß mein Herumschreien aufgesetzt war hatte ich selbst bereits während des Herumschreiens bemerkt) und wollte einlenken, es läge alles an der Art, wie hier gebaut worden wäre, völlig hirnlos, so daß solche Konflikte geradezu von der Architektur vorprogrammiert worden wären (ein Argument à la Thomas Bernhard, dachte ich im Traum), aber sie gaben keine Ruhe und ich dachte, daß die ganze Situation wie aus einer Erzählung von Kafka war. Dann wollte ein schwuler ehemaliger Kommilitone, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe, mich mit seinem Auto (ein Cabriolet) mitnehmen. Zuvor kauften wir bei einem speziellen Bäcker noch besonders gutes Brot ein, zwei Laibe: einen für die Frau und mich und einen für ihn. Ich telephonierte zwischendurch mit der Frau und sagte ihr, daß ich es wahrscheinlich nicht zur üblichen Zeit schaffen würde, zu ihr zu kommen. Ich betrieb Smalltalk mit meinem ehemaligen Kommilitonen und fragte ihn nach seinem Mann. Dann wurde er plötzlich so müde, daß er nicht weiterfahren konnte und unbedingt sofort nach Hause wollte. Ich stieg aus und sagte, ich ginge zu Fuß weiter. Was ich denn unterwegs essen wolle, fragte er, und ich sagte, ich würde etwas von dem Brot abbrechen. Als ich dann unterwegs war merkte ich, daß ich aus Versehen auch sein Brot mitgenommen hatte. Ich kam in eine enge Gasse (ein wenig wie die Ladenstraße, die ich in einem Ort auf der Insel des zweiten Gesichts gesehen hatte), in der ein Omnibus zwischen zwei parkenden Autos stand. Ich zog den Omnibus da heraus und stieß ihn an, so daß er mit einer immer größer werdenden Geschwindigkeit durch die Gasse schoß. Er kam zwar gut um die Kurven, aber es bestand die Gefahr, daß er an der nächsten Kreuzung jemand überrollen würde. Mein Tun kam mir etwas leichtsinnig vor. Dann kam ich noch an eine seltsame, ein wenig mediterran wirkende Treppe (wie die südlich der Haupteinkaufsstraße hier), in die die Straße, auf der ich lief, überging, eine Treppe, an deren linker Seite (von oben) eine üppige Bepflanzung war.«
* Der wache Hans Köberlin wußte natürlich, daß das Haiku eine japanische und nicht eine chinesische Gedichtform war.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).
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