Freitag, 26. Februar 2016

Mittwoch, der 26. Februar 2014


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Nach dem Duschen und nach dem – nach längerem einmal wieder – Rasieren stürmte und regnete es heftig, womit sich zwei Fragen Hans Köberlins von selber mit »Nein!« beantworteten, nämlich …
»Soll ich einen längeren Spaziergang machen?«
Und …
»Sollte ich einmal wieder (nachdem ich gestern einen Nachbarn – den Heimkommhuper – dies tun gesehen habe) die Gärten mit dem Schlauch bewässern?«
Er setzte sich also mit einer Kanne grünem Tee in den leeren Wintergarten und suchte in seiner digitalen Merkursammlung etwas, was, das können wir nicht sagen, weil er es nicht fand, er stieß dort aber beim Suchen auf eine Weisheit von Umberto Eco, die ihm sehr gut gefiel und die er sich merkte und die uns an unsere im Prolog mitgeteilten literarischen Absichten erinnerte …
Die postmoderne Haltung erscheint mir wie die eines Mannes, der eine kluge und sehr belesene Frau liebt und daher weiß, daß er ihr nicht sagen kann: »Ich liebe dich inniglich«, weil er weiß, daß sie weiß (und daß sie weiß, daß er weiß), daß genau diese Worte schon, sagen wir, von Liala geschrieben worden sind. Es gibt jedoch eine Lösung. Er kann ihr sagen: »Wie jetzt Liala sagen würde: Ich liebe dich inniglich.« In diesem Moment, nachdem er die falsche Unschuld vermieden hat, nachdem er klar zum Ausdruck gebracht hat, daß man nicht mehr unschuldig reden kann, hat er gleichwohl der Frau gesagt, was er ihr sagen wollte, nämlich daß er sie liebe, aber daß er sie in einer Zeit der verlorenen Unschuld liebe. Wenn sie das Spiel mitmacht, hat sie in gleicher Weise eine Liebeserklärung entgegengenommen. Keiner der beiden Gesprächspartner braucht sich naiv zu fühlen, beide akzeptieren die Herausforderung der Vergangenheit, des längst schon Gesagten, das man nicht einfach wegwischen kann, beide spielen bewußt und mit Vergnügen das Spiel der Ironie … Aber beiden ist es gelungen, noch einmal von Liebe zu reden.*

* Umberto Eco, Nachschrift zum »Namen der Rose«; zit, nach: Dieter Wellershoff, Im Sog der Entropie. Thomas Pynchons »Die Enden der Parabel«; in: Merkur, Heft 472, Juni 1988, S. 487f. – Als Hans Köberlin viel später, am Freitag, dem 19. Februar 2016, vom Tode Umberto Ecos erfuhr, sollte er sich an diese Passage erinnern.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XII [Phase 5 – oder: Un gringo en Calpe], 10. Februar bis 6. März 2014).