Sonntag, 6. Dezember 2015

Freitag, der 6. Dezember 2013


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In irgendeinem Film, den Hans Köberlin als Kind gesehen, hatte einer gesagt, es gäbe Frauen mit einem Apfelarsch und Frauen mit einem Birnenarsch; diese Unterscheidung hatte Hans Köberlin sein Lebtag nicht mehr vergessen, und jetzt vor seinem geistigen Auge … Dann stieß er in seiner Ausgabe in Joyces Idiom auf der Seite 112 auf einen Fehler: die Abschnittsüberschrift MEMORABLE BATTLES RECALLED war aus Versehen als »Memorable battles recalled« in den Text geraten, und auf S. 116 das gleiche: da war THE CALUMET OF PEACE aus Versehen als »The calumet of peace« in den Text geraten … Und bei ironischen Gegenüberstellung von Professor MacHugh …: natürlich war ein Wasserklosett wichtiger als ein Altar.*


* »The Jews in the wilderness and on the mountaintop said: It is meet to be here. Let us build an altar to Jehovah. The Roman (…) brought to every new shore on which he set his foot (…) only his cloacal obsession (…): It is meet to be here. Let us construct a watercloset.« (James Joyce, Ulysses, with an Introduction by Cedric Watts, London 2010, S. 117). Nun, die Pointe war nett, aber der Vergleich hinkte im Detail: was sollten Nomaden in der Wüste mit einem Wasserklosett anfangen? – Nach Thomas Mann war Moses dort der Kulturbringer gewesen: »Vorläufig waren sie (die Kinder Israels) nichts als Pöbelvolk, was sie schon dadurch bekundeten, daß sie ihre Leiber ins Lager entleerten, wo es sich treffen wollte. Das war eine Schande und eine Pest. Du sollst außen vor dem Lager einen Ort haben, wohin du zur Not hinauswandelst, hast du mich verstanden? Und sollst ein Schäuflein haben, womit du gräbst, ehe du dich setztest; und wenn du gesessen hast, sollst du es zuscharren, denn der Herr, dein Gott, wandelt in deinem Lager, das darum ein heilig Lager sein soll, nämlich ein sauberes, damit Er sich nicht die Nase zuhalte und sich von dir wende.« (Thomas Mann, Das Gesetz; in: Die Erzählungen, Frankfurt am Main 1986, S. 1006). Hans Köberlin mußte an die pensionistas denken, die von ihren Dreckkötern die Promenade, auf der sie flanierten, zuscheißen ließen. – Aber nochmals zu Thomas Mann: wir lesen noch einmal den Anfang der Erzählung …: großartig!
Seine Geburt war unordentlich, darum liebte er leidenschaftlich Ordnung, das Unverbrüchliche, Gebot und Verbot.
Er tötete früh im Auflodern, darum wußte er besser als jeder Unerfahrene, daß Töten zwar köstlich, aber getötet zu haben höchst gräßlich ist, und daß du nicht töten sollst.
Er war sinnenheiß, darum verlangte es ihn nach dem Geistigen, Reinen und Heiligen, dem Unsichtbaren, denn dieses schien ihm geistig, heilig und rein.
(ebd., S. 961; als »a man supple in combat: stonehorned, stonebearded, heart of stone« tauchte er in Stephens Bewußtseinsstrom auf (Joyce, Ulysses, a. a. O., S. 127).Es muß wohl nicht erwähnt werden, daß der gleichsam sinnenheiße Hans Köberlin nicht nach dem Geistigen, sondern nach dem Fleischlichen, nicht nach dem Reinen, sondern nach der Verdorbenen, und nicht nach dem Heiligen, sondern nach der Hure verlangte. – Und apropos Zivilisation: Luhmann in seiner trockenen Art hatte einmal 1985 ein kleines Szenario entworfen …
Man muß darauf gefaßt sein, daß es in absehbarer Zeit zu atomaren Explosionen kommen wird, die den Erdball verwüsten. Das wäre zweifellos ein markantes, einschneidendes, epochenwirksames Ereignis. Vorher und Nachher ließe sich deutlich unterscheiden. Sucht man nach einem anderen Ereignis von ähnlicher Tragweite, kommt eigentlich nur die Entwicklung von planmäßiger Landwirtschaft in Betracht. Vorher ging es auf dem Erdball, evolutionär gesehen, relativ normal zu. Es gab, wer weiß wie lange schon, Menschen; aber sie lebten, wenn nicht friedlich, so jedenfalls harmlos, wenn nicht paradiesisch, so jedenfalls ohne nennenswerten Einfluß auf ihre Umwelt. Dann entwickelte sich aber die Landwirtschaft und sehr bald darauf, nur wenige Jahrtausende später, die atomare Explosion. Ein kurzer Prozeß also: die Landwirtschaft die Ursache, die Explosion die Wirkung, die Zivilisation als Übergang, als Transformationsmechanismus.
(Niklas Luhmann, Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie; in: Schriften zu Kunst und Literatur, hrsg. von Niels Werber, Frankfurt am Main 2008, S. 102). Später dann las Hans Köberlin übrigens in den mit LOST CAUSES NOBLE MAQUESS MENTIONED und KYRIE ELEISON! betitelten Abschnitten, daß der Professor der römischen (Klosett) und semitischen (Altar) Alternative die griechische (Geist) entgegenstellt, wobei Hans Köberlin bei ›griechisch‹ natürlich …

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).