Dann kam auch die Frau, sie schlüpfte nackt aus dem Schlaf- in das Badezimmer, kam aber kurz darauf in die Küche, wo Hans Köberlin zugange, und fragte ihn mit gespieltem Entsetzen, was er denn da für eine »Altmännerseife« gekauft habe, die rieche ja schrecklich. Es handelte sich um ein Stück Seife der Marke ›Speik Original‹ … Hans Köberlin hätte sich eigentlich denken können, daß es sich um eine »Altmännerseife« handelte, denn sie hatte im Idiom seiner Herkunft und in the international spoken language beschriftet im Sortiment des ›Consum‹ gestanden und war wohl hauptsächlich – es stand auch ›Jabón‹ und ›Savon‹ auf der Packung – für die männlichen Pensionistas von nördlich der Alpen gedacht. Sein, Hans Köberlins, Vater hatte das Rasierwasser dieser Marke benutzt, allerdings bereits da benutzt, als er noch jünger gewesen als Köberlin jetzt und ergo noch kein alter Mann gewesen war, vielleicht hatte der Name ihn auch an David Lynchs Dune (1984) erinnert. Als Hans Köberlin die Seife gestern frisch ausgepackt und in bester proustscher Absicht in das Badezimmer gelegt und anschließend die Pappschachtel wegwerfen gewollt, hatte er gesehen, daß sie innen betextet war. »Dem Speick auf der Spur« versprach die Überschrift – das klang nach Dune – und Hans Köberlin hatte weitergelesen …
In der Botanik kennt man ihn als Valeriana celtica. »Valere« ist lateinisch und bedeutet »gesund erhalten«, während »celtica« für die keltische Herkunft, heute die alpinen Kärntner Nockberge, steht. Bereits seit Jahrtausenden gewinnt man das wertvolle Speick-Öl durch sanfte Extraktion aus der ganzen Pflanze. Im Ägypten des Jahres 500 v. Chr. aromatisierte man die Bäder mit Speick und pflegte sich anschließend mit dem kostbaren Öl …
»Also hatte vielleicht auch Kleopatra, wenn sie nicht gerade Stutenmilch oder das Blut von Jungfrauen genommen, in speikgewürztem Wasser gebadet und sich anschließend mit Speik-Öl für ihren Caesar und nach den Iden des März für ihren Marcus Antonius gepflegt …
… die nackte Elizabeth Taylor als Kleopatra in ihrem Bade …
Und auf diesen Gedanken hin hatte er sich vorgenommen, seine Hände mit Speik-Seife zu waschen, bevor er das nächste Mal, wenn die Frau wieder fern, Hand an sich legen würde, auf seiner Hand spüren und riechen was Kleopatra auf ihren nackten Brüsten und noch sonstwo auf ihrem nackten göttlichen Körper gespürt und gerochen …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XV [Der dritte Besuch der Frau und andere Besuche] Vom 11. bis zum 21. April 2014).





