Freitag, 12. Juni 2015

re-entries

In seinem Essay Magias parciales del Quijote hatte Borges die These aufgestellt, Cervantes habe sich darin gefallen, die Welt des Lesers und die Welt des Buches zu vermischen, und er brachte als Beispiel, wie Cervantes den Barbier, eine seiner Figuren, eines seiner, Cervantes’, Werke – die Galatea – der Kritik unterzogen habe, und daß die Protagonisten zu Beginn des zweiten Teils den ersten Teil der Beschreibung ihrer Abenteuer gelesen hatten. Anschließend brachte er weitere Beispiele, in denen das Werk im Werk nochmals auftauchte …
  • Hamlet als Theaterstück in Hamlet,
  • das Ramayana und sein Autor Valmiki am Ende der Ramayana,
  • das Märchen der 602. Nacht in Tausendundeiner Nacht,
  • Josiah Royces The World and the Individual, wo die vollständige Karte eines Landes im Maßstab 1:1 ihre Karte enthalte, die wiederum ihre Karte enthalte, die wiederum ihre Karte … (subitil aufgegriffen von Michel Houellebecq in La Carte et le territoire, Paris 2010),
  • der Teppich, den Helena wie in der Ilias beschrieben in Troja gewebt hatte und der die in der Ilias geschilderten Kriegsszenen darstellte, und
  • Aeneas, der in der Aeneis in Karthago Reliefs mit Szenen aus dem trojanischen Krieg sah, unter anderem solchen mit sich selber,
… wir würden noch ergänzen …
  • nochmals die Ilias, die nämlich Odysseus in der Odyssee von dem blinden Rhapsoden der Phäaken vorgetragen hörte,
  • la recherche du temps perdu, die sich Marcel, wie eben bereits erwähnt, am Ende von À la recherche du temps perdu anschickte, zu beschreiben,
  • der in der Ilias beschriebene Schild des Achilles, der die gesamte Welt darstellte und also eine Art von Proto-Aleph war*, und schließlich
  • wir, die wir von dem Autor Hans Köberlin berichten, der die Fragmente unseres Berichts über die seltsamen Abenteuer seines, Hans Köberlins kommentierenden Herausgebers, kommentiert und herausgibt.
»It’s a Mad Mad Mad Mad World!«
»… lisant au livre de lui-même …«**
… wie Borges selber, am Ende von La busca de Averroes, gefühlt hatte, nämlich daß seine Erzählung ein Symbol des Menschen war, der er gewesen war, während er sie geschrieben hatte, und daß er, um diese Erzählung zu schreiben, dieser Mensch habe sein müssen, und um dieser Mensch zu sein, diese Erzählung habe verfassen müssen, und so ad infinitum.


* Vgl. dazu auch vom Verf. … du rissest dich denn ein., Berlin 2010, S. 491: »… angefangen mit der Abbildung der Welt auf dem von Hephaistos verfertigten Schild des Achilleus bei Homer – wo die Welterschließung in toto noch deskriptiv geschehen konnte, weil die Welt noch überschaubar war; Realismus fände immer an einem gewissen Komplexitätsgrad seine Grenze, wenn er nicht die Komplexität selber als Gegenstand nähme …«
** Stéphane Mallarmé, Hamlet et Fortinbras.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XII [Phase V – oder: Un gringo en Calpe], 10. Februar bis 6. März 2014).