Mittwoch, 6. Mai 2015

Noch ein Alibi

Wie ich gerade zufällig zwischen den Seiten 260 und 261 von Niklas Luhmanns Schriften zu Kunst und Literatur, hrsg. von Niels Werber, Frankfurt am Main 2008, genauer: in dem Text 9. Die Evolution des Kunstsystems, erfuhr, habe ich für den Freitag, den 7. Februar 2014, 14:46 Uhr, ein Alibi (das zweite an einem Tag gefundene, siehe: Ein Alibi). Damals nämlich löste ich in einer Tram einen Einzelfahrausweis, Regeltarif für den Tarifbereich Berlin AB.

Symmetrie

Über seine Erinnerung grinsend sah Clemens ein symmetrisches Doppelhaus. Jede Symmetrie ist eine Lüge, dachte Clemens, weil es ja zwei nur quasiidentische weil spiegelverkehrte Teile sind, Borges hatte irgendwo von unnützen Symmetrien und manischen Wiederholungen gesprochen. Das Drama der zwei, die zusammen sind, ist: sie gehen entweder in einem auf oder zerfasern sich im Unendlichen. Außerdem, wie Blumenberg richtig bemerkt hatte, gab es da eine grundlegende Asymmetrie in allem Sein überhaupt, nämlich der Rest, der in dem voranfänglich symmetrischen Verhältnis von Materie und Antimaterie am Anfang von allem dann von der Materie übrig geblieben war und der eben ausmachte, daß da etwas war und nicht nichts, siehe auch Althusser, Materialismus der Begegnung, wobei es bei dem eine Aberration und keine Asymmetrie war. Jedenfalls: das war eine gute Grundlage für einen gesunden Nihilismus … hm, aber wohl auch nicht, denn man mußte ja dem Gerede von Materie und Antimaterie und Asymmetrie und Aberration glauben. Ich glaube an den Nihilismus – was für ein Satz! Über die Frage, warum etwas war und nicht nichts war, darüber machte Clemens sich keine wirklichen Gedanken. Der Überschuß an Materie, aus der nach diesen Theorien alles kam, war natürlich kein Anfang, denn irgendwoher mußte diese Asymmetrie oder Aberration ja gekommen sein und irgendwoher mußte die Materie und die Antimaterie oder die Homogenität, von der abgewichen wurde, ja gekommen sein, daß sie in einem asymmetrischen oder aberrierten Verhältnis zueinander stehen konnten, Hennen und Eier das alles … Man konnte sich da nur noch unter Nichtberücksichtigung der Details entscheiden zwischen der Annahme eines selbstreflexiven Anfangs oder der Annahme eines Zufalls als Auslöser der Asymmetrie oder der Aberration innerhalb der Ewigkeit. Clemens votierte bei dieser Frage ganz klar für den Zufall. Analoges nahm er für das Ende von allem an, oder, je nach Gusto, für den großen Neuanfang, aber das, das Ende, kümmerte ihn noch weniger als der Anfang, weil er ja da nicht mehr sein würde, das würde nicht mehr sein, was den Clemens ausmachte, nur noch eine Handvoll verstreuter indifferenter Mineralien und Salze (per un pugno di salini … und Clemens pfiff vor sich hin, Camel Filters …). In gewisser Weise, so dachte er sich, trug er die Zeit von irgendeinem zufälligen Anfang, den er annahm, bis zu seiner Geburt als Erbe mit sich herum, ein restaristotelisches Denken war das wohl, aber relevant wurde es für ihn mit der Welt erst von dem Moment an, in dem er da war, ob pränatal oder erst nach der Geburt, auch die Frage war ihm zweitrangig.

(HannaH & SesyluS, aus der E-Book-Fassung, die demnächst erscheinen wird; siehe auch Asymmetrie).

Ein Alibi

Wie ich gerade zufällig zwischen den Seiten 164 und 165 von Jorge Luis Borges’ Einhorn, Sphinx und Salamander, auf denen sich der Artikel Die Achtfache Schlange befindet, erfuhr, habe ich für den 23. Dezember 1994, 9:59 Uhr, ein Alibi. Damals kaufte ich nämlich für 16,90 DM in der Buchhandlung Schmitt & Hahn im Hauptbahnhof von Frankfurt am Main den 8. Band von Borges’ Werken in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Frankfurt am Main 1992.