Mittwoch, 13. Juli 2016

Sonntag, der 13. Juli 2014


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Nach dem Abendessen gingen sie nochmals an die Promenade. Wegen des Finales bestand keine Möglichkeit, sich zu einem Rotwein auf die Terrasse der ›Tango Bar‹ setzen zu können. Die Einheimischen machten aus dem öffentlichen Schauen ein Familienfest und auf den Tischen, zwischen denen die Kinder wuselten, türmten sich die Speisen. Vor der Bar standen in mehreren Reihen Passanten, die auf ihrem Weg anhielten, um zu erfahren, wie der aktuelle Stand des Spiels war. Aus einer Laune heraus bekam die Frau Lust, ohne sich dabei für eine der Mannschaften zu begeistern, dem Treiben zuzuschauen, also flanierte man weiter und fand in der nur mäßig besetzten ›Exotic Bar‹ einen freien Tisch. Die Frau setzte sich so, daß sie ab und an einen Blick auf einen der Monitore werfen konnte, Hans Köberlin genoß die Aussicht auf die erleuchtete Promenade, die vereinzelten Flaneure und dahinter den fast leeren Strand und das dunkle Meer. Er war froh, in der Fremde zu sein, als das Spiel dann mit diesem Ergebnis vorbei war. In Anlehnung an Canetti überlegte er sich folgendes Ritual, das das agonale Prinzip ad absurdum führen würde: die Sieger müßten einen Kotau vor den Besiegten machen und sie dafür um Entschuldigung bitten, daß sie sie besiegt hätten. Dazu erinnerte er, was die Brüder am 16. Mai 1860 notiert hatten, nämlich daß die siegreichen Angelegenheiten sie abstießen.*


* Vgl. Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013, Bd. 2, S. 431f.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XXII [Der abschließende Besuch der Frau], 12. Juli bis 12. August 2014).