Mittwoch, 9. Dezember 2015

Und das aus diesem Munde! (Ich höre da keine Ironie!)

Da das Kunstwerk existiert und real überzeugend erlebt werden kann, kann etwas mit der Welt nicht stimmen. Mit der Welt! – und gerade nicht mit der Kunst, die ihre eigenen Möglichkeiten ja ersichtlich beherrscht.

(Niklas Luhmann, Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst; in: Schriften zu Kunst und Literatur, hrsg. von Niels Werber, Frankfurt am Main 2008, S. 145; nur nebenbei bemerkt: das ist der 324. Eintrag hier, und 324 ist auch die Anzahl der Tage von Hans Köberlins Exil; zitiert haben wir diese Aussage Luhmanns in ¡Hans Koberlin vive! mehrmals, nämlich in langen Fußnoten zu den Œuvres Kurosawas und Fassbinders und Tarkowskijs).

Montag, der 9. Dezember 2013


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Hans Köberlin träumte in der Nacht zum Montag, dem 9. Dezember 2013,* daß er in der Halbwelt des chinesischen Viertels (vermutlich das der Stadt, die niemals schlief) war. Dort war einer, der Giftschlangen klaute und dann verkaufte oder er schaute einem dabei zu. Ein Händler bot ständig seine Frühlingsrollen an, Hans Köberlin aß aber bei dem Schlangendieb, zu dem er durch lange und verwinkelte Korridore mit chinesischen Tapeten gelangte, Pommes frites. Er ging in einen Club, der ziemlich voll war, oben wurde getanzt und unten gab es eine Grotte, an deren Wänden und Decke die Schlangen waren. Mit einem Stock wurden sie heruntergestoßen und dann gepackt. Es wurden immer zwei geklaut. Schließlich gab es Ärger mit dem Türsteher. Eine Zeile aus dem Doors-Song, Soft Parade hatte er im Ohr: »You cannot petition the Lord with prayer«, inspiriert wahrscheinlich von dem gestrigen Filmkalenderblatt. Hans Köberlin erwachte davon mit dem starken Bedürfnis nach gleichförmigen und eintönigen äußeren Tagesabläufen, deren Leere er mit konzentrierter Lektüre, ihn selbst überraschenden Einsichten (manche Sachverhalte sind derart evident, daß man auf sie gestoßen werden muß) und dem Niederschreiben schöner Sätze füllen könnte, gemäß jenem Diktum Canettis: »Es ist kaum zu glauben, wie der geschriebene Satz den Menschen beruhigt und bändigt.«**


* Der aktuelle Filmkalender zeigte anläßlich des Todestages von Marcello Pagliero (†1980) das gleiche Bild aus Rossellinis Roma, città aperta (1945), wie das, das wir vom Vorjahr am 1. November 2013 aus Anlaß von Aldo Fabrizis Geburtstag (*1905) aus der Filmkalenderblattsammelkiste gefischt hatten, das aus dem Jahr 1997 zeigte Gary Cooper in Michael Andersons The Naked Edge (1961) und das aus dem Jahr 1996 Michelle Pfeiffer und Jeff Bridges in Steve Kloves’ The Fabulous Baker Boys (1996). Außerdem war am 9. Dezember 1916 Kirk Douglas – Kubricks Spartacus – geboren worden.
** Elias Canetti, Dialog mit dem grausamen Partner; in: Das Gewissen der Worte. Essays, Frankfurt am Main 1981, S. 54; vgl. auch vom Verf. Telos oder Beiträge zu einer Mythologie des Clemens Limbularius. Fragment, Berlin 2013, S. 152 und dort die Fußnote 466.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).