Dienstag, 12. April 2016

Samstag, der 12. April 2014


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Sie schauten sich dann im Bett die Tatort-Episode Reifezeugnis (1977) an. Diesmal sah Hans Köberlin die Episode vor allem (aber natürlich nicht nur!) unter dem Aspekt der verlogenen Moral des Lehrers und dem Leid, das eine sogenannte ›offene Ehe‹ für alle Beteiligten mit sich brachte. Es gab immer Eifersucht, wenn wirkliche Liebe im Spiel war, und einer war immer der oder die Dumme, das jedenfalls hatte ihn, Hans Köberlin, seine Erfahrung im Leben und im Kino gelehrt. Als Sina am Ende meinte, sie habe ins Wasser gehen wollen, es habe aber nicht funktioniert, weil sie ja schwimmen gekonnt, da fiel Hans Köberlin Blumenbergs kurzer Text Rechtzeitiger Verzicht auf Rettungen ein. »Früher wollten viele Matrosen nicht Schwimmen lernen, notiert Ernst Jünger in die späten Tagebücher und fügt erklärend hinzu, sie hätten ihre Gründe dafür gehabt.«* Die Gründe lagen auf der Hand, Blumenberg brachte allerdings noch eine Pointe, die hier auszuführen zu weit ging,** jedenfalls: davon ausgehend kam er zu »dem nicht selbstverständlichen Sachverhalt, daß wer zu schwimmen gelernt hat, nicht nicht schwimmen wollen kann.«*** Hans Köberlin, der erst mit dreizehn Jahren und da eher mühsam das Schwimmen erlernt, bewegte sich mittlerweile wie ein Fisch im Wasser. Also fiel auch ohne zusätzliche Mittel das Wasser in Lichtenbergs Aufzählung aus.


* Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 23.
** »Was Jünger verschweigt, ist die Obsoleszenz der Sachlage. Weshalb muß gesagt werden, daß es ›früher‹ so war, aber nicht mehr so ist ‒ vielmehr ins Gegenteil umgeschlagen? Die Technik [Seenotsignale und deren Peilung] hat ‒ mit dem vielen, das ihr zum Opfer fiel ‒ auch eine absolute Metapher zerstört. Kein Reservat kann ihr Überleben sichern ‒ außer der Erinnerung, der Imagination, der Vermittlung des harmlosen Wörtchens ›früher‹. Im Reich der Metapher ist alles wie früher, weil es dieses Wort gibt.« (ebd.).
*** Ebd.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XV [Der dritte Besuch der Frau und andere Besuche], 11. bis 27. April 2014).