Dienstag, 17. November 2015

Zwei Beiträge zur Geschichte der Einbildungskraft

Im Atelier im ersten Stock sucht das junge Paar Bergerat einen Platz für sein Bett und befragt dafür die einen und die anderen. Für die junge Ehefrau erröte ich [Edmond de Goncourt] unwillkürlich ein wenig über die öffentliche Zurschaustellung dieses Möbels, auf das die Einbildungskraft der Besucher sie schon in ehelicher Pose hinbreitet. Das englische Tabu des Schlafzimmers einer verheirateten Frau finde ich sehr taktvoll.

(Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Eintrag vom Sonntag, dem 12. Mai 1872, Leipzig 2013, Bd. 5, S. 560).

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Mir [François Truffaut] fällt da noch eine andere Szene am Anfang ein, nachdem Stewart Kim Novak [in Vertigo, 1958] aus dem Wasser gefischt hat. Sie ist in Stewarts Wohnung, nackt in seinem Bett. Man sieht, wie sie zu sich kommt, und man kann folgern, ohne daß darüber gesprochen würde, daß er sie ausgezogen haben muß, daß er sie nackt gesehen hat.

(François Truffaut in Zusammenarbeit mit Helen G. Scott, Truffaut / Hitchcock, München / Zürich 1999, S. 209).

Sonntag, der 17. November 2013


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Am Sonntag, dem 17. November 2013,* war das Wetter immerhin so, daß man mit einer Jacke auf der anderen Dachterrasse frühstücken konnte. Anschließend legten sie sich zum Aufwärmen et cetera nochmals hin.
Am frühen Nachmittag dann gingen beide an den Strand mit der festen Absicht, zu ihrem anstehenden Abschied noch einmal im Meer, das sich ziemlich bewegt gab zu schwimmen. Dekadent wie sie waren, reichte ihnen die Wassertemperatur allerdings nur für ein paar Züge in den heftigen Wellen, das war nicht dieses von Hans Köberlin gemeinte und geliebte bisherige entspannte Schwimmen, das mutwillig terminiert werden mußte, weil man es von selber nicht mehr aufhören wollte, die Bewegung im Wasser quasi als Lebenswelt, und wenn nicht dies, dann zumindest als Modus der adäquaten Reflektion seines Zustandes hier … Hans Köberlin war erstaunt, wieviel kühler es doch während seiner zweitägigen Schwimmpause geworden war. Dieses kurze sich noch einmal in die Wellen stürzen sollte, wie bereits angedeutet, Hans Köberlins vorerst letztes Schwimmen hier sein, bis er am Montag, dem 28. April 2014, während eines morgendlichen Dauerlaufs seine zweite und wahrscheinlich letzte Badesaison in dem Ort seines Exils eröffnen würde.


* Daß sich der geile alte Sack Sophie Marceaus Bild mit dem leicht geöffneten Mund aus La fidélité (Andrzej Zulawski, 2000) aufgehoben (sie war damals 34, und hätte sie nicht den Pullover an, das Bild hinge in Hans Köberlins Schlafzimmer), war zu erwarten gewesen.
Erinnern konnte sich Hans Köberlin an zwei Träume: im ersten war er an der Mosel bei seinen Eltern und mußte irgendwelche (nicht wirkliche) Hausaufgaben machen. Er hatte das kleinere Laptop dabei, ihm fehlten aber ein Druckerkabel und ein Drucker und er wühlte deswegen in den ausrangierten Computersachen seiner Mutter (die nie in ihrem Leben einen Computer auch nur angefaßt hatte). Dann – und dies könnte man als Wunscherfüllungstraum bezeichnen – war er bei einer Theaterproduktion, bei der Lars von Trier Regie führte, einer von denen, die Hintergrundinformationen besorgen sollten. Es war ein größeres Projekt, die Aufführung stand erst in zwei Jahren an. In einem ruhigen Moment sagte Hans Köberlin zu Lars von Trier, daß er ein großer Bewunderer seiner Kunst wäre, worüber der sich sehr freute und weswegen er Hans Köberlin etwas in eines seiner, Hans Köberlins, Bücher (gemeint war wohl ein Band der 24-bändigen Limbularius-Ausgabe), die er dabei hatte, schreiben wollte. Hans Köberlin drückte daraufhin sein Bedauern darüber aus, daß er kein Buch von ihm, von Lars von Trier, zum Signieren dabei hatte.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VII [Der erste Besuch der Frau], 15. bis 18. November 2013).