Sonntag, 27. September 2015

Aus dem Handbuch für Raumfahrer

Wenn man nicht weiß, was zu tun ist, darf man garnichts tun.

(Arthur C. Clarke, Sommer auf Ikarus).

Einst und jetzt

In unserem Jahrhundert erschießt man sich, weil man sich vor anderen schämt, vor der Gesellschaft, vor den Fremden … Im vorigen Jahrhundert erschoß man sich, weil man sich vor sich selber schämte. Komisch, heutzutage scheint man zu glauben, daß der Mensch mit sich selbst immer ins Reine kommt.

(Arkadi & Boris Strugatzki, Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang; in: Werkausgabe, hrsg. von Sascha Mamczak und Erik Simon, München 2010, Bd. 2, S. 380).

Freitag, 25. September 2015

No está en el tiempo sucesivio …

Nadie en las calles, pero no es un domingo.
No es un lunes,
el día que nos depara la ilusión de empezar.
No es un martes,
el día que preside el planeta rojo.
No es un miércoles,
el día de aquel dios de los laberintos
que en el Norte fue Odín.
No es jueves,
el día que ya se resigna al domingo.
No es un viernes,
el día regido por la divinidad que en las selvas
entreteje los cuerpos de los amantes.
No es un sábado.

(Jorge Luis Borges, Cambridge; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 12: Schatten und Tiger, Frankfurt am Main 1993, S. 20ff.).

(eine Fußnote aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel IV [Transfer complete], 10. bis 12. Oktober 2013).

Mittwoch, 23. September 2015

Nicht mehr und nicht weniger

The various modes of worship which prevailed in the Roman world were all considered by the people as equally true by the philosopher as equally false and by the magistrate as equally useful. And thus toleration produced not only mutual indulgence but even religious concord.

(Edward Gibbon, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, London 1776, Volume I, Chapter 2).

Samstag, 19. September 2015

In der Zone angesichts der goldenen Kugel

Glück für alle, umsonst, und niemand soll gekränkt fortgehen!

(Arkadi & Boris Strugatzki, Picknick am Wegesrand; in: Werkausgabe, hrsg. von Sascha Mamczak und Erik Simon, München 2010, Bd. 2, S. 232).

… not enough of nothing …

»There is too much there there.«

There is not enough of
nothing in it.

(John Cage, 45’ – Music for a Speaker; in: Silence. Lectures and writings by John Cage, Hanover / New England 1961, S. 153).

Mittwoch, 16. September 2015

Ja, früher …

Zu meiner Zeit hätt’ man zumindest getan, als ob man schläft.

(Arno Schmidt, Abend mit Goldrand. Eine MärchenPosse. 55 Bilder aus der Lä/Endlichkeit für Gönner der VerschreibKunst, Frankfurt am Main 1975, S. 32).

Zuvorkommende Begegnungen


(John Cage, 45’ – Music for a Speaker; in: Silence. Lectures and writings by John Cage, Hanover / New England 1961, S. 149).

Heute vor …

… einem Jahr wurde jenes Bild gemacht …

Noch ein Grund, warum ich nicht in den Himmel kommen möchte

Manche Verstorbene, die sich die irdischen Sitten noch nicht abgewöhnt haben, verlangen, wenn sie in den Himmel kommen schottischen Whisky und Zigarren. Für jede Möglichkeit gerüstet, führen die himmlischen Laboratorien die Bestellung aus. Die Seligen kosten die Erzeugnisse und bestellen sie nie wieder.

(Jules Dubosc, Avez-vous une Âme?, zit. n.: Jorge Luis Borges / Adolfo Bioy Casares, Die himmlischen Vorräte; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 11: Das Buch von Himmel und Hölle, Frankfurt am Main 1993, S. 159).

Montag, 14. September 2015

Souveraineté


Mémoires pour Simone (Chris Marker, 1986). – »Jede Theorie, die schlicht Freiheit gegen Zwang setzt, wäre angesichts der Komplexität dieses Sachverhalts verfehlt.« (Niklas Luhmann, Das Kunstwerk und die Selbstreproduktion der Kunst; in: Schriften zu Kunst und Literatur, hrsg. von Niels Werber, Frankfurt am Main 2008, S. 171).

(Fußnote aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel I [Prolog], Von Anbeginn der Schöpfung bis zum Dienstag, dem 1. Oktober 2013).

Blooms Hotel

16. Februar 2014

Nach dem Dauerlauf – es war sonnig aber windig – und dem Frühstück und dem Duschen setzte er sich an seinen Tisch im leeren Wintergarten, und um 12Uhr14 – ein gewichtiger Moment in seinem Leben, vielleicht nach seinen schicksalhaften Momenten mit bestimmten Frauen und nach dem Moment seiner Romanpublikation der gewichtigste Moment: »… and first I put my arms around him yes and drew him down to me so he could feel my breasts all perfume yes and his heart was going like mad and yes I said yes I will Yes.«
Nach 1977 und nach 1981 – 1997 war er (wie bei allem im Leben damals) im ersten Drittel steckengeblieben – vollendete Hans Köberlin zum dritten Mal die Lektüre des Ulysses, und er fühlte eine große Leere in sich, er spürte seine Zerrissenheit, die er über der Lektüre vergessen hatte können, es war ihm, als hätte man ihm eine Aufgabe genommen, nämlich die Aufgabe, ein aufmerksamer und liebevoller Leser zu sein, und er hätte am liebsten mit dem Roman gleich wieder von vorne begonnen, am Martello Tower …
Stately, plump Buck Mulligan came from the stairhead, bearing a bowl of lather on wich a mirror and a razor lay crossed. A yellow dressinggown, ungirdled, was sustained gently behind him by the mild morning air. He held the bowl aloft and intoned:
– Introibo ad altare Dei.
»Trieste-Zürich-Paris, 1914-1921.« … sieben Jahre hatte also Joyce daran geschrieben … (er hätte das bei der Siebeneraufzählung in Telos ergänzen sollen): einmal einen langen Atem haben, sich nicht kirre machen lassen von der Welt (die Frau und die Freunde vertrauten doch seinem diesbezüglichen Talent) …
»Die Idee zu meinem Roman hatte ich am heiligen Abend 1988, und zuerst publiziert wurde er kurz vor dem heiligen Abend 2007, wobei ich nicht sagen könnte, ich hätte neunzehn Jahre daran gearbeitet, und wobei ich zu meiner Schande auch nicht sagen könnte, sein Zustand sei lege artis.«
Was das mit dem Frühstück wohl auf sich hatte, das hatte sich Hans Köberlin das ganze letzte Kapitel über gefragt, dann anschließend war er bei Nabokov auf eine plausible Erklärung gestoßen, nämlich daß Mr Bloom der Ansicht sei, sein Wissen um die und seine sillschweigend Duldung der Fortsetzung dieser schmutzigen Geschichte mit Blazes Boylan gebe ihm die Oberhand über Molly. Und auch Nabokov kam, wie auch Thirlwell, zu der Ansicht, Molly liebe Bloom, allerdings mit der Einschränkung, wenn sie überhaupt jemanden liebe. Natürlich hatte Nabokov recht, wenn er schrieb, der sogenannte ›stream of concousness‹ sei eine Kunstform und ein Bewußtsein arbeite nicht so rein sprachlich. Woher er wissen solle, warum er seine Gedanken denke, hatte sich der Protagonist von The Third Policeman gefragt …
Hans Köberlin hielt inne und schloß – quasi um sich zu lesen – die Augen (wie Mr Bloom einmal die Augen geschlossen hatte, um sich nach der Begegnung mit dem blinden Klavierstimmer selber in eine Blindheit zu imaginieren und derart die Haut auf seinem Bauch zu befühlen) …: das permanente von einem hohen Ton gekrönte Rauschen des Blutes in seinen Ohren, Pochen in seinen Schläfen, irgendwo fuhr ein Auto, der Nachbar hupte, ein Hund bellte und eine Frau schimpfte im hiesigen Idiom, Lichtflecken sobald man die Lider lockerte, Geflacker sogar hinter den geschlossenen Lidern, »als wir auf dem Rückweg der Wanderung durch die Siedlungen von Albir gingen, sahen wir in einem Hof an einem komplizierten und mit Stahlseilen verankerten Gerüst aus Stahlrohren ein Artisten-Trapez hängen« … die Assoziation aus The Pale King: Stoppelfeld – Mädchen, das sich die Achselhöhlen selten rasiert … und die Frau nochmals (nicht als Wort), hier (irrealer Eindruck, gewollt zu wollüstigen Vorstellungen imaginiert), die Hauptstadt (multimediale Erinnerungsfetzen, durchgangene Straßenzüge, Baustellen, Kräne in spätsommerlichen Abendhimmeln …), Geld = Zukunft (nonverbal als Gefühl von Sorge und Bedrückung und Ärger über sich selber), der Krafthorizont, sein ›als-ob‹ … »fucked yes damn well fucked too up to my neck« … Finnegans Wake war da wohl näher dran, weil es noch artifizieller als Ulysses war. Beide Werke, Ulysses und noch mehr Finnegans Wake, das empfand Hans Köberlin später beim Hören einer Lesung einmal mehr, waren eigentlich große Poeme, die man eher fachkundig rezitiert hören sollte, denn sie für sich und vor sich hin leise zu lesen, sie waren logische Endpunkte ihrer Kunst, die alles übrige zu Zeitvertreib machten … Hans Köberlin öffnete seine Augen wieder, schaute vor sich auf das geschlossene Buch und damit auf Jonathan Barrys Gemälde der Halfpenny Bridge und die am Rand des Einbands sich durch den intensiven Gebrauch ablösende Schutzfolie, und er sprang damit von seinem Bewußtseinsstrom, beziehungsweise von der versuchten Imagination eines solchen, ab.
»Was nun?«

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XII [Phase V – oder: Un gringo en Calpe], 10. Februar bis 6. März 2014).

Pourquoi a-t-on appelé paradis le rang des troisièmes loges à la comédie et à l’opéra?

Il y a pourtant un peu de différence entre monter au ciel et monter aux troisièmes loges.

(Voltaire, Dictionnaire philosophique, Stichwort Paradis).

Sonntag, 13. September 2015

Das Paradies der Dichter

Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
(1Kor 2.9).

Und was haben die Dichter Borges und Bioy Casares daraus gemacht? Natürlich eine Engführung auf die Sprache: »… sie werden unausprechliche Worte hören, die der Mensch nicht sagen kann«.
(Jorge Luis Borges / Adolfo Bioy Casares, Paradiese, Kapitel Jesus Christus; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 11: Das Buch von Himmel und Hölle, Frankfurt am Main 1993, S. 135).

Samstag, 12. September 2015

Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort (Typographie)


Im Tartaros (aka Kantstraße)
Im Кавказ (aka Wuhlheide)

Also: Vorsicht!

Nicht euch wird der Dämon erlosen, sondern ihr werdet den Dämon wählen.

(Platon, Politeia, X. Buch, zit. n.: Jorge Luis Borges / Adolfo Bioy Casares, Der Armenier Er; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 11: Das Buch von Himmel und Hölle, Frankfurt am Main 1993, S. 120).

Donnerstag, 10. September 2015

Pech

Ihr Unterrock war rot und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt.

(Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher; in: Schriften und Briefe, München 1968ff., Bd 1, S. 105).

Sonntag, 6. September 2015

»Il faudrait du temps!«

Ah! Balzac! Balzac! Il faudrait du temps!

(Marcel Proust, Le Balzac de monsieur de Guermantes; in: Contre Sainte-Beuve).

Freitag, 4. September 2015

»Heva, naked Eve. She had no navel.«

Chateaubriands Génie du Christianisme zufolge war Adam dreißig Jahre alt, als er geschaffen wurde, und Eva sechzehn. Als Kreationist war Chateaubriand sicher auch ein Vertreter der Omphalos-Hypothese (…) Wenn es zuträfe, was die Kurzzeitkreationisten behaupten, daß Gott die Welt am 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 9 Uhr vormittags, mit ihrer Vergangenheit und der Erinnerung daran erschaffen habe (siehe auch Russells Gedankenspiel in The Analysis of Mind), dann geschah dies also in dem gleichen Modus, in dem wir träumen. War das Erschaffen also ein Träumen? Sind wir ein Traum Gottes?
»Wohl zuviel Borges gelesen!«

(Fußnote aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis zum 30. Januar 2014).

»Gott lauert in den Intervallen.«

Die Zukunft ist unvermeidlich, präzise; aber es mag sein, daß sie nicht zustande kommt.

(Jorge Luis Borges, Die Schöpfung und P. H. Gosse; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 7: Inquisitionen, Frankfurt am Main 1992, S. 34).

Mittwoch, 2. September 2015

Memento mori

Heute vor 141 Jahren starb am Berg Hancock durch die Hand eines Sioux Winnetou.

Dienstag, 1. September 2015

Heaven is a place where nothing ever happens (Talking Heads)

Die Seligen können nicht sündigen, weil sie es nicht wollen, und sie wollen es nicht, weil sie es nicht mehr können.

(Jorge Luis Borges / Adolfo Bioy Casares, Was die Kirche lehrt; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Bd. 11: Das Buch von Himmel und Hölle, Frankfurt am Main 1993, S. 29).