Mittwoch, 5. Oktober 2022

1967-07-02 Newport [Donnerstag, der 2. Januar 2014]

Zum Frühstück gab es heute, wie gestern vorgenommen, Miles Davis’ Auftritt am 2. Juli 1967 in Newport. Der oberflächliche Hans Köberlin kannte diese Aufnahmen und hatte sie bereits unzählige Male gehört, aber noch nie chronologisch systematisch, dies selbst nicht begleitend zu der Lektüren der diversen Bücher über Miles Davis und seiner Quasi-Autobiographie.
»Es hat mir damals schlicht und einfach die Zeit gefehlt, ich habe nach meinem ersten Roman an meinem ersten nie erschienenen Fragment gearbeitet und mußte nebenher den Schornstein am Rauchen halten …«
Alle Musik war ihm damals gleich nahe unter der Sonne gewesen, es war ähnlich wie mit der auf Wiederholung angelegten Lektüre, und die Alben vor 1969 mußte er sich selber erst erarbeiten – gegenüber den Alben nach 1975, vor allem denen mit Marcus Miller, hatte er, bis auf ein paar Ausnahmen, Vorurteile. Es war sicher auch eine Frage seines Alters, daß er sich Miles Davis mit Jimi Hendrix sehr gut vorstellen konnte, aber einer Kollaboration mit Prince eher befremdet gegenübergestanden hätte. 1967 in Newport ging es, diesmal nach der Ansage, wieder mit Gingerbread Boy los, aber wesentlich rauer, es ging gleitend über in Footprints, dann kam ’Round Midnight, und bei dem Stück war das Fortschreiten am deutlichsten zu hören, denn das Stück kam ja aus einer anderen Ära. Zum Abschluß folgte eine aktuelle Version von So What, wobei Hans Köberlin die letzte Tour Davis’ mit Coltrane einfiel. Beide hatten sich seit Kind of Blue weiterentwickelt, aber in konträre Richtungen, Hans Köberlin goutierte beides, Miles Davis war ihm jedoch näher …
Wir wissen natürlich, daß wir – wie bei Kafka und wie bei Joyce und wie bei sonst so vielem – mit der bloßen Wiedergabe von Hans Köberlins exilantischen und dilettantischen Einsichten die wirklichen Experten auf diesen Gebieten vergraulen werden, weil das Rad nochmals erfunden wurde oder aber vor seiner Erfindung das Potential einer runden Scheibe mit einer Nabe übersehen wurde, aber wir können es nur so dokumentieren, wie es sich für uns beim Beobachten dargestellt hat. Und für diesbezügliche Einsichten, die wir als interesselose Beobachter später zufällig irgendwo erhalten sollten, verweisen wir, wie gehabt, auf unsere Nachlesen.

(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, IX [Der zweite Besuch der Frau] Vom 20. Dezember 2013 bis zum 6. Januar 2014, S. 872f.).

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