Will ich sagen, daß ich existiere, werde ich sagen: »Ich bin.« Will ich sagen, daß ich als einzelne Seele existiere, werde ich sagen: »Ich bin ich.« Will ich aber sagen, daß ich als Wesenheit existiere, die sich an sich selbst richtet und sich selbst gestaltet und der göttlichen Aufgabe des Sich-selbst-Erschaffens nachkommt, wie könnte ich da das Verb »sein« anders verwenden als auf der Stelle transitiv! Dann werde ich triumphierend und über alle Grammatikregeln erhaben sagen: »Ich bin mich.«
(Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares, hrsg. von Richard Zenith, Zürich 2003, S. 96; Pessoas Hauptwerk hat übrigens auch Kommissarin Eva Saalfeld in dem grottenschlechten Tatort vom vergangenen Sonntag gelesen).
Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Dienstag, 28. April 2015
Hans Köberlin und die Musik #4 und Beschluß
Aber jetzt zu den Anfängen der bewußten Musikrezeption Hans Köberlins, noch nicht als guter Zuhörer, aber auf dem Weg dorthin, mit dem ersten Radiorecorder von Philips, BASF Cassetten, C120, den entsprechenden Bandsalat reparierte man selber mit Tesafilm, hier ergaben sich Stellen, die man – die Macht der Gewohnheit – nie mehr unverstümmelt hören konnte, zu Zeiten des Glamrocks (man hörte nun von T. Rex Children of the Revolution) und der sogenannten Oldies, als was man damals die Musik von den Anfängen des Rock’n’Roll über die Musik der Beatles und der frühen Rolling Stones bis zu der Musik der Zeit von Woodstock bezeichnete (man hörte – nicht von dem Festival – Jimi Hendrix’ Version von Bob Dylans All along the Watchtower), und eingeschlossen in das Glitternde und Glitzernde auf der einen und das Expressive, nach Authentizität Lechzende auf der anderen Seite, eingeschlossen wie eine Perle in einer Auster, also wenn einer das Prädikat progressiv verdient habe, dann CAN (man hörte – natürlich – Spoon), auch denen sei Köberlin sein Leben lang treu geblieben. Dann der sogenannte Artrock, unter deren Bands aber bloß Pink Floyd (man hörte Whish you where here) und King Crimson übergeblieben wären, dann ein kurzer Abstecher zu Bands aus den USA, wie etwa den Allman Brothers, Hot Tuna und Grateful Dead (es gab eine Sequenz aus Dark Star), wobei Hans Köberlin letzteren gleichfalls treu blieb, die Doors (man hörte Love Street) nähmen hier eine Sonderstellung ein, denn mit denen sei er damals in die Welt gezogen, hier läge allerdings wegen Köberlins modifiziertem Verhältnis zu Drogen eine partielle Untreue vor, und dann – endlich! – dann käme die Entdeckung des Jazz (hier kam prompt Miles Davis, der Anfang von Pharaoh’s Dance) sowie die Entdeckung Frank Zappas, Kevin Coynes, der Canterbury Szene (Robert Wyatt, Kevin Ayers, Daevid Allen et cetera) und schließlich die Entdeckung Fred Frith’ sowie die der New York Downtownszene um den genialen Saxophonisten John Zorn (hier kam – nicht ganz repräsentativ für seinen Stil, aber was hätte das bei der Vielfalt auch sein sollen?! – John Zorns Interpretation von Ennio Morricones The Sicilian Clan von dem ersten Naked City Album, und Clemens und der Verleger – zwei Deppen und ein Gedanke – nannten Emilia den Titel, die jedoch Film sowie Soundtrack selber kannte) und schließlich die Entdeckung der zeitgenössischen Musik, etwa Stockhausen, Holliger, Xenakis und Goebbels. Dazwischen habe es immer Einschübe der sogenannten klassischen Musik gegeben, hier vor allem Bach – hier mußte natürlich der Name Glenn Gould fallen –, die Kammermusik der ersten wiener Schule, die drei großen Opern von Mozart und da Ponto (man hörte Leporellos Listenarie), dann natürlich das fin de siècle, das Klavierwerk Eric Saties und die Symphonien Mahlers.
Dann zog der Referent einige Schlüsse über die Entwicklung von Köberlins Hörgewohnheiten und seinem Musikverständnis, etwa sein heikler Umgang mit dem Pathos, die Rolle des Rhythmus’, Köberlins Aneignungsmethode von extrem komplexer neuer Musik (mittels Verknüpfung mit den diversen Rezeptionssituationen), seinen musikalischen Stimmungen, idiosynkratischen Reaktionen (Der letzte Trottel kann einem die beste Musik vergällen!) und dem, Zitat Köberlin: permanenten Soundtrack zu seinem Leben im Kopf, Zitatende, et cetera. Neben den eben erwähnten gab der Referent noch andere Hörbeispiele, während denen er die Cover der Alben oder Bilder der Musiker und Komponisten an die Wand projizierte. Man kam sich vor wie in Thomas Manns Zauberbergkapitel In der Fülle des Wohllauts, das war sehr angenehm und hätte noch eine zeitlang so weitergehen können. Einige notierten sich, wohl das bedenkend, was sie über die Distributionswege unpopulärer Musik gehört hatten, die Titel der Alben, und am Ende wurde der Referent mit großem Applaus bedacht, als hätte er selber ein Konzert gegeben. Ein paar Leute fragten nach Musik, die sie wohl persönlich bevorzugten, dann war es gut.
(aus: … du rissest dich denn ein., Berlin 2010, S. 478ff.).
Dann zog der Referent einige Schlüsse über die Entwicklung von Köberlins Hörgewohnheiten und seinem Musikverständnis, etwa sein heikler Umgang mit dem Pathos, die Rolle des Rhythmus’, Köberlins Aneignungsmethode von extrem komplexer neuer Musik (mittels Verknüpfung mit den diversen Rezeptionssituationen), seinen musikalischen Stimmungen, idiosynkratischen Reaktionen (Der letzte Trottel kann einem die beste Musik vergällen!) und dem, Zitat Köberlin: permanenten Soundtrack zu seinem Leben im Kopf, Zitatende, et cetera. Neben den eben erwähnten gab der Referent noch andere Hörbeispiele, während denen er die Cover der Alben oder Bilder der Musiker und Komponisten an die Wand projizierte. Man kam sich vor wie in Thomas Manns Zauberbergkapitel In der Fülle des Wohllauts, das war sehr angenehm und hätte noch eine zeitlang so weitergehen können. Einige notierten sich, wohl das bedenkend, was sie über die Distributionswege unpopulärer Musik gehört hatten, die Titel der Alben, und am Ende wurde der Referent mit großem Applaus bedacht, als hätte er selber ein Konzert gegeben. Ein paar Leute fragten nach Musik, die sie wohl persönlich bevorzugten, dann war es gut.
(aus: … du rissest dich denn ein., Berlin 2010, S. 478ff.).
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