Montag, 14. Dezember 2015

Samstag, der 14. Dezember 2013


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Als Hans Köberlin seinen Filmkalender aktualisierte, sah er anläßlich Eva Mattes’ Geburtstag (im Jahre 1954)* einen Filmstill mit Margit Carstensen und Hanna Schygulla aus Fassbinders Die bitteren Tränen der Petra von Kant (1972), Untertitel: ein Krankheitsfall. Daß ihn Hans Köberlin gesehen hatte – zweimal, wie er sich zu erinnern glaubte – fiel entweder in eine aufzeichnungsfreie Zeit oder in die Zeit, deren Aufzeichnungen verlorengegangen sind, denn er tauchte oben in unserer Zusammenstellung nicht auf. Es war, was wir nicht so im Gedächtnis gehabt hatten, quasi eine Theaterverfilmung (Einheit des Ortes und das Drama in verschiedene Akte aufgeteilt), seltsam »gewidmet dem, der hier Marlene wurde«. Es tauchte kein Mann in dem Stück auf, und wenn man es übertrug, dann hatte sich Fassbinder bestimmt nicht in der von Irm Hermann gespielten Dienerin – die ausgerechnet ›Marlene‹ hieß** und sich erst am Ende emanzipierte und die ihre Herrin verließ, als diese so verzweifelt einsam war, daß sie sogar sie, die zuvor permanent gedemütigte, zu ihrer Geliebten machen wollte – porträtiert, sondern in der Titelfigur … seltsam, wie gesagt, die einschlägige Literatur würde bestimmt Aufklärung geben, hätte man die zur Hand.*** Die Identifikationen und die Sympathien wechselten, genauso wie die Haltungen zur Realität bei den Protagonisten. Petras Verzweiflung, nach dem Karin sie verlassen hatte, kannte man vom eigenen Leib. Von Schwächen und lieben …****
Zu Beginn des Stücks lernte man eine Petra kennen, deren Ehe gescheitert war und die das als Erfahrung verbuchen wollte – immer dieser Zwang, auf gute Seiten an Katastrophen sehen zu wollen! –, und zurecht warf ihre Freundin Sidonie ein: »Ich weiß nicht, Petra, aber wenn das Ende schon am Anfang abzusehen ist, ist die Erfahrung dann viel wert?« – Andererseits: müssen sich die Muster wiederholen? Es war hier nur deswegen abzusehen, wie Petras Geschichte mit Karin verlaufen würde, weil man wußte, daß das Stück von Fassbinder war, und bei dem gab es, abgesehen von wenigen Ausnahmen, keine glücklichen Liebesbeziehungen.
»Und in der Realität?«
Petra von Kant machte ihrem Namen alle Ehre …
Petra: »Erzählen Sie von sich … was Sie denken … was Sie träumen …«
Karin: »Wenig … Ich möcht einen Platz haben in der Welt. Ist das zuviel verlangt?«
Petra: »Nein, im Gegenteil, Karin, im Gegenteil, das ist es, wofür man lebt, sich einen Platz zu erkämpfen.«
Karin: »Muß man kämpfen?«
Petra: »Gewiß, auch ich habe kämpfen müssen.«
Karin: »Ich habe immer gedacht, ich sei zum Kämpfen zu faul.«
Aber die Kehrseite von (Petra von) Kants ›Du mußt müssen wollen!‹, das hier durchklang, war …
Karin: »Soll ich dich anlügen?«
Petra: »Bitte lüg mich an!«
Es war, was die Dramaturgie und die Kameraführung und das Artifizielle betrifft – wie immer bei RWF – meisterhaft inszeniert. Die damals 17-jährige Eva Mattes spielte übrigens Petras auf ein Internat abgeschobene Tochter.


* Aus dem gleichen Anlaß zeigte das Blatt vom Vorjahr sie als Prousts Dienerin Céleste in Percy Adlons gleichnamigen Film aus dem Jahr 1980. – Céleste hieß, nur nebenbei bemerkt, auch eine am 3. Mai 1972 in Stillwater / Minnesota geborene Pornodarstellerin, die es – nach ihren Anfängen als Ausziehtänzerin – auf ein umfangreiches filmisches Œuvre gebracht hatte.
** »Nimm dich in acht vor blonden Frau’n …«
*** Am Freitag, dem 23. Januar 2015, sollte Hans Köberlin, finanziell kurz vor dem Kollaps und den Fiskus im Nacken, lesen, daß laut Kurt Raab und Harry Baer Peer Raben mit Marlene gemeint gewesen sei.
**** Bertolt Brecht, Schwächen; in: Gesammelte Werke, hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Frankfurt am Main 1967, Bd. 10: Gedichte 3, S. 968:
SCHWÄCHEN

Du hattest keine
ich hatte eine:
ich liebte.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).