Ein weiteres Frühstück mit seinem Miles-Davis-live-Ritual stand an, nämlich die beiden Sets jenes Konzerts, das er am 1. Oktober 1964 in der Stadt der Liebe gegeben hatte. Das erste Set begann, diesmal ohne Vorstellung, mit Autumn Leaves, Miles Davis spielte mit Dämpfer, dann kam Wayne Shorter, es war nach dem Konzert in der Hauptstadt am 25. September 1964* das zweite Konzert in Hans Köberlins Archiv, bei dem er dabei war, Klavier und Baß hatten noch ihre Soli, dann kam So What, wie immer auf der Bühne schnell, Miles Davis spielte etwas, für das es sicherlich einen bestimmten Terminus gab, es waren keine Tonleitern, aber etwas in der Art, eine Art ›Läufe‹ vielleicht …, dann wieder das Saxophon, das Klavier, Hans Köberlin hatte den Eindruck, daß alles frischer war wie an den vergangenen drei Tagen in Antibes. Nun wieder langsam mit Stella by Starlight, das war sehr angenehm, Hans Köberlin träumte durch die Glastür des leeren Wintergartens ins Artgerechte schauend gedankenlos vor sich hin, dann schloß das erste Set mit Walkinʼ. Das zweite Set begann wie das erste ruhig, Miles Davis hatte wieder den Dämpfer aufgesetzt, mit All of You, auch sehr angenehm, Hans Köberlin fiel beim Hören allerdings etwas ein, er unterbrach sein Frühstück, um etwas niederzuschreiben, die Musik plätscherte weiter dazu, dann kam Joshua, das heute nicht ganz so schnell gespielt wurde. Es folgte My Funny Valentine, Musik in grobkörnigem Schwarzweiß, der Höhepunkt des Konzerts, Wayne Shorter hielt die Stimmung, Herbie Hancock fiel aber etwa ab. Das zweite Set schloß mit dem schnellen No Blues, auch er etwas langsamer und akzentuierter als in Antibes, Tony Williams hatte sein Solo – Schlagzeugsolos konnte Hans Köberlin selten nachvollziehen –, dann hörenswert Wayne Shorter, dann Herbie Hancock, dann traf man sich zu dem Thema … Soweit für heute …
* Zwei Jahre zuvor hatte es eine Formation gegeben, die in der Discographie als »Miles Davis And His Orchestra« gelistet wurde, da hatte Wayne Shorter bereits einmal mitgespielt.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. 1740f.).

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