Von der Westküste
Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Montag, 11. November 2024
Donnerstag, 31. Oktober 2024
Empirie, 38. Update
- Stand des Manuskripts:
- Seiten: S. 2.028 von ca. 2.700 Seiten
- Fußnoten: 5.250
- Stand der Bearbeitung:
- Seiten: S. 1.794 von ca. 2.700 Seiten
- Fußnoten: 4.548
- Kapitel: XV (= Der dritte Besuch der Frau und andere Besuche) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Bearbeitung: Freitag, der 11. April 2014, der 192. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Der Beginn der Handlung ist mit Analepsen der Sonntag, der 23. Oktober 4004 vor unserer Zeitrechnung, 9 Uhr vormittags,* ohne Analepsen der Herbst 2012.
- Das Ende der Handlung fällt mit den Prolepsen mit dem Ende der (oder bloß einer?) Welt zusammen,** ohne Prolepsen mit dem Frühjahr 2016.
- Beginn der Niederschrift: Mittwoch, den 2. Oktober 2013
- Ende der Niederschrift: noch nicht abzusehen.
- Stand der Überarbeitung:
- Seiten: S. 778 von 778 Seiten
- Fußnoten: 2.280
- Kapitel: VIII (= Dritte Phase – oder: Konsolidierung) von VIII Kapiteln nebst einem vorläufigen Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 19. Dezember 2013, der 79. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Stand der Überarbeitung:
- Seite: S. 1.537
- Fußnoten: 3.986
- Kapitel: XIV (= Phase 6 – oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung***) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 13. März 2014, der 163. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
* (= die Fußnote 5 auf S. 7) »Non in tempore sed cum tempore Deus creavit caela et terram.« (Augustinus).
Nun: »In der Schiffsbibel von Charles Darwin auf der ›Beagle‹, mit der er von 1831 bis 1836 die Welt bereiste, stand das Datum der Weltschöpfung eingetragen: 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 9 Uhr vormittags.« (Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 47). Das war ein Sonntag, am folgenden Freitag war er, der Schöpfer, fertig, und auch das jüngste Gericht soll nach christlichen Vorstellungen auf einen Freitag fallen, ein Datum haben wir gerade nicht zur Hand.
»Soldats, quarante siècles vous regardent!«
»L’ouvrage que j’ai entrepris aura la longueur d’une histoire«, hatte Balzac stolz in seinen Avant-Propos de La Comédie humaine postuliert.
** (= eine Anmerkung aus der fünften Nachlese) »Die Welt des Dichters ist nicht die einzige Welt. Es gibt mehrere Dichter.« (Bertolt Brecht, Schriften zum Theater 1; in: Gesammelte Werke, hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Frankfurt am Main 1967, Bd. 15, S. 393).
*** (= die Fußnote 3986 auf S. 1537) Rainald Goetz, Word, Hamburg 1994.
Wird aktualisiert!
Dienstag, 15. Oktober 2024
[186 / 138] Samstag, den 5. April 2014
Das große durchsichtige Zelt mit den kleinen Zelten innen stand surreal hell erleuchtet vor dem ›Hotel Diamante Beach‹. Zurück im Haus las und schrieb er noch etwas zu Musik und ging dann zu Bett, wo er gleich einschlief.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. noch offen).
Sonntag, 22. September 2024
Freitag, 6. September 2024
Empirie, 37. Update
- Stand des Manuskripts:
- Seiten: S. 1.982 von ca. 2.400 Seiten
- Fußnoten: 5.161
- Stand der Bearbeitung:
- Seiten: S. 1.685 von ca. 2.400 Seiten
- Fußnoten: 4.325
- Kapitel: XIV (= Phase 6 – oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung*) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Bearbeitung: Dienstag, der 1. April 2014, der 182. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Der Beginn der Handlung ist mit Analepsen der Sonntag, der 23. Oktober 4004 vor unserer Zeitrechnung, 9 Uhr vormittags,* ohne Analepsen der Herbst 2012.
- Das Ende der Handlung fällt mit den Prolepsen mit dem Ende der (oder bloß einer?) Welt zusammen,** ohne Prolepsen mit dem Frühjahr 2016.
- Beginn der Niederschrift: Mittwoch, den 2. Oktober 2013
- Ende der Niederschrift: noch nicht abzusehen.
- Stand der Überarbeitung:
- Seiten: S. 778 von 778 Seiten
- Fußnoten: 2.280
- Kapitel: VIII (= Dritte Phase – oder: Konsolidierung) von VIII Kapiteln nebst einem vorläufigen Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 19. Dezember 2013, der 79. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Stand der Überarbeitung:
- Seite: S. 1.537
- Fußnoten: 3.986
- Kapitel: XIV (= Phase 6 – oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung*) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 13. März 2014, der 163. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
* (= die Fußnote 3970 auf S. 1512) Rainald Goetz, Word, Hamburg 1994.
** (= die Fußnote 5 auf S. 7) »Non in tempore sed cum tempore Deus creavit caela et terram.« (Augustinus).
Nun: »In der Schiffsbibel von Charles Darwin auf der ›Beagle‹, mit der er von 1831 bis 1836 die Welt bereiste, stand das Datum der Weltschöpfung eingetragen: 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 9 Uhr vormittags.« (Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 47). Das war ein Sonntag, am folgenden Freitag war er, der Schöpfer, fertig, und auch das jüngste Gericht soll nach christlichen Vorstellungen auf einen Freitag fallen, ein Datum haben wir gerade nicht zur Hand.
»Soldats, quarante siècles vous regardent!«
»L’ouvrage que j’ai entrepris aura la longueur d’une histoire«, hatte Balzac stolz in seinen Avant-Propos de La Comédie humaine postuliert.
*** (= eine Anmerkung aus der fünften Nachlese) »Die Welt des Dichters ist nicht die einzige Welt. Es gibt mehrere Dichter.« (Bertolt Brecht, Schriften zum Theater 1; in: Gesammelte Werke, hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Frankfurt am Main 1967, Bd. 15, S. 393).
Wird aktualisiert!
Samstag, 3. August 2024
Mittwoch, 24. Juli 2024
Sonntag, 7. Juli 2024
1988-1989 Live Around The World [Samstag, der 29. März 2014]
Er bereitete alles für sein Frühstück im leeren Wintergarten vor und startete dabei in die letzte Runde seines Rituals mit Miles Davis 1988 und 1989 live around the world. Die elf Stücke stammten aus acht Konzerten, es begann vielversprechend mit In a Silent Way, doch das wurde als eine Art Ouvertüre nach eineinhalb Minuten einfach ausgeblendet. Danach folgte der gleiche Sound, über den Hans Köberlin sich bereits bei den früheren Konzerten nach 1980 geärgert hatte. Ihm kam wieder einmal der Gedanke, daß wenn man Miles Davis Trompetenspiel isolieren und die übrige Band mit einer anderen Formation aus einer anderen Zeit substituieren würde, die Musik an die früheren Phasen heranreichen könnte. In Human Nature ließ Kenny Garretts Alt-Saxophon-Solo Hans Köberlin zum ersten Mal aufhorchen und im anschließenden Mr. Pastorius Miles Davisʼ Trompete. Dann ließ es wieder nach, eine nervöse Zeit und Hans Köberlin erinnerte sich an Kinofilme von damals, 1988 und 1989, die den gleichen Eindruck vermittelt, aber ihm fielen jetzt keine Titel ein. Es mußte doch eine Dramaturgie geben, auch ohne Pathos … Agartha und Pangaea, eine Dramaturgie der äußersten Anspannung, die zu einer Dramaturgie des Verschwindens und Verstummens wurde, weil alles artikuliert worden war, nicht so ein Geplätscher, gerade lief Tutu … Immerhin kam hier ein wenig Groove zustande und nach dem zweiten Wodka Martini hätte Hans Köberlin vielleicht sogar entspannt gelauscht. Full Nelson war zu Disco, dann kam – endlich, sagte Hans Köberlin sich, wie immer bei dem Hören von Konzerten aus der Zeit, Cindy Laupers Time After Time, von ihr geschrieben mit – um ihn auch einmal zu erwähnen – Rob Hyman. Miles Davis spielte das Stück hier sehr schön verhalten, um dann sehr schön das Thema plötzlich ohne den Dämpfer aufzugreifen, ein Akzent nur, dann weiter mit Dämpfer und dem Baß, der wie eine Gitarre eingesetzt wurde, um am Ende wieder ungedämpft mit Synthesizer-Schmacht zum Höhepunkt zu kommen, wie bei einem guten Fick, an den jetzt Hans Köberlin wie …
»… immer wieder …«
… denken mußte. Das anschließende und die Kompilation abschließende Hannibal konnte da nur noch abfallen. – Und somit war auch das gehört.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. noch offen).
Sonntag, 30. Juni 2024
1991-07-10 Paris [Samstag, der 1. März 2014]
Und als er also seinen Dauerlauf bewältigt, da frühstückte er wie gehabt mit dem Mitschnitt eines Konzerts von Miles Davis, und zwar von jenem, das er am 10. Juli 1991 in der Stadt der Liebe in der Grande Halle de la Vilette gegeben hatte. Das Ganze firmierte unter ›Miles Davis Band With Special Guests‹, denn einige seiner Weggefährten aus der guten Zeit hatten Auftritte, Herbie Hancock, Chick Corea, Dave Holland, Wayne Shorter, Steve Grossman, Joe Zawinul, John McLaughlin, Al Foster … Hans Köberlin fand das, was er so hörte, durchwachsen, auf jeden Fall besser als Montreux 1989 vor ein paar Tagen, der New Blues etwas besser als zuvor Perfect Way und Human Nature fand erst nach der Hälfte der Zeit seinen Groove, dann kam – wieder viel zu schnell! – der All Blues, der aber nur zum Teil inspiriert wirkte, Grossmans Solo am Tenorsaxophon und Chick Coreas am E-Piano … auch die nächsten Stücke stammten aus einer guten Zeit, In A Silent Way / It’s About That Time, hier waren natürlich Zawinul und Shorter zu Gast, Katia war trotz der beiden Gitarren von John McLaughlin und John Scofield nur hektisch, dann kamen die ältesten Stücke, noch aus der Sonny-Rollins-Zeit, Out Of The Blue / Dig, die hier angenehm herausfielen. Herbie Hancock hatte seinen Auftritt mit einem eigenen Stück, Watermelon Man, wie zu erwarten nicht in der pointierten Head Hunter-Version, aber das Stück zeigte sich dennoch als unverwüstlich, wobei Al Fosters trockenes Schlagzeug seinen Anteil hatte. Bei Penetration und Wrinkle war nur die neue Band zu hören, dem entsprechend gab es Disco-Funk, aber im angenehmen Sinn gefällig, beim anschließenden Footprints nur alte Kämpen, das klang sehr schön, »richtiger Jazz«, hätte Hans Köberlin fast gesagt, aber er fragte sich, warum hier Corea und nicht Hancock dabei gewesen war, und zum abschließenden Jean Pierre versammelten sich alle außer Shorter, Hancock und Zawinul.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1395f.).
1991-07-08 Montreux [Donnerstag, der 20. Februar 2014]
Zum Frühstück hörte Hans Köberlin jenes Konzert, das Miles Davis am 8. Juli 1991 zusammen mit Quincy Jones auf jenem Festival gegeben hatte, auf dem Jahrzehnte zuvor während eines Zappa-Konzerts ein Feuer ausgebrochen, was wiederum Anlaß zu dem Gassenhauer einer anderen Band geworden war. Das Programm bestand aus jenen Sachen, die Miles Davis um Hans Köberlins Geburtsjahr herum mit Gil Evans und dessen Orchester eingespielt hatte, Miles Ahead, Porgy and Bess und Sketches of Spain. Jenes Bonmot Zappas fiel Hans Köberlin nun beim Hören dazu ein, Jazz sei nicht tot, er rieche bloß manchmal etwas komisch … gewogen und als zu leicht befunden: es war zu glatt, zu sauber, es war bloß noch gehobene Unterhaltung. Neben Miles Davis’ Trompete dominierte der elektrische Baß, wobei die Orchesterarrangements sich für Hans Köberlins Ohren nicht sonderlich von denen der originalen Studiosessions unterschieden. Etwas versöhnt wurde er dann am Ende von Solea, was wirklich als eine Neuinterpretation daherkam.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1296).
Samstag, 29. Juni 2024
1991-07-01 Vienne [Freitags, der 14. Februar 2014]
Das Frühstück würde es wieder im leeren Wintergarten geben müssen und nach seinen Regeln blieb Hans Köberlin dazu nur jenes Konzert, das Miles Davis kurz vor seinem Tod 28. September 1991 am 1. Juli 1991 während des Jazzfestivals der Donaumetropole* gegeben hatte. Um es vorwegzunehmen: Hans Köberlin fand dieses Konzert überraschend – überraschend vor allem nach dem gestern Gehörten – gut, es war mit das Beste, was Davis in seiner letzten Dekade gemacht hatte. Aber der Reihe nach. Es begann mit Hannibal, Prince, aus dessen Feder auch zwei der an diesem Abend gespielten Stücke stammten, war als Orientierung an die Stelle von Jimi Hendrix getreten, über einem funkigen Baß spielte Miles Davis mit und ohne Dämpfer und Saxophon und E-Piano hatten ihre Soli, so ging es auch beim nächsten Titel, Human Nature, weiter, etwas wilder vielleicht, dann kam – zum dritten Mal während dieses Rituals – schön lang das Hans Köberlin an wunderbaren Sex erinnernde Time After Time und anschließend das Prince-Stück mit dem zu der Cindy-Lauper-Erinnerung passenden Titel Penetration. Wrinkle, ein sehr schnelles Stück mit dominierender Rhythmusgruppe, war das schwächste Stück des Konzerts, dann als Kontrast das ruhige Amandla und Jailbait, das zweite Stück von Prince, und schließlich, ohne Miles Davis – man hörte Pfeifen im Publikum –, das Finale, bei dem der Schlagzeuger sein Solo hatte.
* Erst irgendwann, lange nach seiner Rückkehr, fiel Hans Köberlin auf, daß er dieses Konzert falsch in seinem Musikarchiv katalogisiert hatte, und wir hatten ihm diesen Fehler auf S. 1107 durchgehen lassen. Das Jazzfestival hatte nämlich nicht in Vienna, sondern im französischen Vienne stattgefunden. Er hatte noch nie etwas von diesem Ort gehört und schaute auf der Landkarte nach, um dabei festzustellen, daß er im – von heute aus – vergangenen Herbst, genauer: am Freitag, dem 11. Oktober 2013, bereits durch den Ort gefahren, als er die Frau ein Stück auf ihrer Heimfahrt begleitet und sie ihn zum ersten Abschied von dem kleinen sympathischen Städtchen an der Rhône zu dem Flughafen der nach einer Kalbsfleischwurst benannten Großstadt gebracht hatte (siehe oben, S. 210ff.).
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1222).
1990-08-30 Chicago [Samstag, der 8. März 2014]
Anschließend frühstückte man in der Küche mit Blick auf den um diese Jahreszeit noch kaum befahrenen Fluß, und da Hans Köberlin wußte, inwieweit die Frau zu der morgendlich anfälligen Gelegenheit dem Jazz zugänglich, hörte man nicht, wie das Ritual es vorgegeben, das zweite Set jenes Konzerts, das Miles Davis am 19. Dezember 1970 in ›The Cellar Door‹Club, 34th and M Street NW in Washington, D. C., gegeben hatte, sondern jenes Konzert vom 30. August 1990 auf dem Jazzfestival im Grant Park in der für ihre Schlachthöfe berüchtigten Stadt. Das begann zwar gleichfalls hektisch mit Perfect Way, aber nicht so radikal wie Directions es gewesen wäre, von den übrigen Titeln der Cellar-Door-Session ganz zu schweigen. Die Frau ließ sich den Discofunk gefallen, zumal es dann bei Star People ruhiger wurde. Sie erzählte von ihrer neuen Arbeit, die sie ja angetreten, als sie nach dem Transfer Hans Köberlins von der weißen Küste zurückgekehrt, und Hans Köberlin merkte, daß er heute nur nebenbei zu seinem bewußten Hören kommen würde, aber das war nicht so wichtig. Die Musik war nicht schlecht und ganz nett im Hintergrund und Hans Köberlin mußte sich dann doch bemühen, den Erzählungen der Frau zu folgen. Er dachte an Go Ahead John, die unbearbeitete Version der Jack Johnson-Sessions, nicht an das, was Teo Macero für Big Fun daraus gemacht hatte, da gefielen Hans Köberlin die Anordnung der Takes, der Einsatz der Echos bei Miles Davis’ Trompetenspiel und die willkürlich wirkenden Ausblendungen der Teile nicht.* Hier, bei Star People, war das Saxophonspiel beliebig, Miles Davis spielte gut, aber das Drumherum … Nicht er hatte nachgelassen, sondern die Zeiten, und da er stets auf der Höhe der Zeit hatte sein wollen … Hans Köberlin konzentrierte sich wieder auf die Erzählungen der Frau […] Auf Star People folgte Hannibal, was auch nicht besser war, und Hans Köberlins versöhnliche Einstellung zur letzten Phase, wie sie sich beim Hören des Montréal-Konzerts gezeigt hatte, schwand wieder. Die plötzlich auftauchende Ansage einer Radiomoderatorin ließ die Frau aufschrecken und Hans Köberlin erklärte ihr, daß dies eine Veröffentlichung aus der Zeit der Leichenfledderei war. Dann Miles Davis’ allein mit den ungekünstelten Läufen eines elektrischen Basses, das war gut. The Senate; Me And You war wieder Geblubber für den Hintergrund, Hans Köberlins Urteil über dieses Konzert wurde trotz netter Passagen zwischendurch immer ungnädiger, die Wahl gerade dieses Auftritts war keine gute Idee gewesen, morgen zum Frühstück würde er lieber – da aus der Gil-Evans, der Coltrane- und der zweiten-großen-Quintett-Phase schon alles gehört war – zu den Anfängen zurückgehen. Er kochte eine zweite Kanne Kaffee. Auch Human Nature gefiel Hans Köberlin nur da, wo Miles Davis mit einem der beiden Bassisten alleine spielte. Das dann einsetzende Saxophon mediterranisierte, was dann auch gut war. Dann kam Time after Time mit einem interessanten Intro, wieder nur Miles Davis und einer der Bassisten, dann setzte Miles Davis den Dämpfer auf und Hans Köberlin empfand diese Version des Cindy-Lauper-Stückes in diesem Augenblick als die Schönste. Und wieder erschreckte eine Radiostimme die Frau, diesmal war es ein Moderator, und Winkle war Disco-Funk. Es gab eine für die neue Welt typische Abmoderation von zwei Stimmen, offenbar war es eine Live-Übertragung gewesen, Hans Köberlin machte sich nicht die Mühe, die Stimmen aus ihrem Idiom zu translatieren.
* In der Anordnung der Sessions ergab sich in der Abfolge der Teile, die wahrscheinlich dem Ablauf der Session entsprachen, eine Steigerung im Groove. Man spielte sich quasi rein … und gerade diese klaren Trompetentöne durch Echoeffektes zu verwässern oder die Takes einfach auszublenden … man hätte sie, wenn man sie schon nicht so belassen wollte, was damals wahrscheinlich noch nicht dem Verständnis vor technisch reproduzierter Musik entsprach, wenigstens zu einem Stück zusammenschneiden sollen.
Ähnlich erging es ihm bei der Big Fun-Version von Lonely Fire, einem Stück aus den Bitches Brew-Sessions, zu viele Schnörkel hinzugefügt. Er räumte allerdings ein, daß es daran liegen konnte, daß sich ihm die Sessions-Versionen emphatisch ins Hirn gebrannt hatten.
»Aber Lonely Fire ist schon ein extrem fantastisches Stück!«
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Zweites Intermezzo – oder: Die Hälfte der Zeit] Vom 7. bis zum 12. März 2014, S. 1479ff.).
1989-07-21 Montreux [Dienstag, der 25. Februar 2014]
Zum Frühstück im leeren Wintergarten sah Hans Köberlin einen lange vor seinem Exil aus dem weltweiten Netz heruntergeladenen Filmmitschnitt jenes Konzerts, das Miles Davis am 21. Juli 1989 –
»Ein heißer aber auch fataler Sommer!«
– auf dem Jazzfestival in Montreux gegeben hatte. Mit den Titeln konnte Hans Köberlin nur teilweise etwas anfangen, es war hektischer Disco-Funk, zu dem Miles Davis Melodien oder kurze Läufe beisteuerte, nur manchmal kam ein längerer Groove auf. Auf der Bühne war ein einziges Gewusel, was durch die Kameraführung noch verstärkt wurde. Es gab zwei Bassisten, von den einer den Baßpart und der andere den des Gitarristen übernahm, zwei Keyboarder, die den typischen achtziger-Jahre-Synthesizer-Sound produzierten, einen Drummer und einen Saxophonspieler, bei Human Nature trat Chaka Khan als Gastvokalistin auf. Einer der Bassisten, der mit dem Gitarrenpart, der Hans Köberlin mit seiner überdimensionierten Latzhose, seiner Frisur und seiner Brille an Whoopie Goldberg erinnerte, stellte sich immer wieder ganz dicht an Miles Davis, beobachte ihn und seine rote Trompete und spielte dann ein paar Tackte dazu, was wohl ein ›Dialog‹ sein sollte. Hans Köberlin war nicht einverstanden mit dem, was er da sah, und nur in wenigen Momenten mit dem, was er da hörte. Aber, so sagte er sich, ähnlich war es wahrscheinlich auch den Hörerinnen und Hörern zwei Generationen zuvor ergangen, als es elektrisch und rockig wurde … und wie bei den alten Tatort-Episoden fragte sich Hans Köberlin nach dem objektivierbaren Anteil seines ästhetischen Urteils, ob er nicht einfach irgendwo trotzig stehengeblieben war, während die Musik sich allgemein verändert hatte … »Bei Onkel Pö spielt ne Rentnerband seit zwanzig Jahren Dixieland …« Hing das damit zusammen, ob man das Ganze als eine teleologische Entwicklung – korrespondierend mit einer Verfallsgeschichte – betrachtete oder ob man dabei ein arbiträres einander Abwechseln der Moden mit ihren späteren Reprisen sah? Eine andere Frage war, wie sich Miles Davis ohne die fünf Jahre des Abtauchens nach Agharta und Pangaea kontinuierlich weiterentwickelt hätte – ›weiter‹ ersteinmal nur temporär, Miles Davis wollte immer etwas Neues, und nicht qualitativ verstanden – oder wenn ihn ein anderer Musiker als Marcus Miller aus der Versenkung geholt hätte … zum Beispiel Bill Laswell oder Henry Kaiser …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1361f.).
1988-07-10 München [Samstag, der 1. Februar 2014]
Zum Frühstück wollte sich Hans Köberlin das bisher für einen besonderen Anlaß aufgesparte erste Set jenes Konzerts gönnen, das Miles Davis heute auf den Tag genau vor 39 Jahren in Osaka gegeben und das als Agharta publiziert worden war, aber der Frau war der Auftakt zum ersten Frühstück mit Hans Köberlin seit sonstwann zu radikal. Bei dem zweiten Set, bekannt als Pangaea, wäre es nicht anders, also blieb Hans Köberlin nur noch, wollte er seine selber aufgestellten Regeln nicht brechen, jenes Konzert, das Miles Davis am 10. Juli 1988 auf dem Klaviersommer der Stadt bei den Mönchen gegeben hatte, oder jenes das er nur knapp drei Monate vor seinem Tod am 1. Juli 1991 in der Donaumetropole* gegeben hatte. Hans Köberlin entschied sich für das Konzert in der Stadt bei den Mönchen, da die Donaumetropole in diesem Jahr ihn an eine andere Frau erinnerte … [das betreffende Erlebnis war aber zehn Jahre früher, also im Sommer 1981, gewesen – Mensch, Hans Köberlin: bei nur fünf Dezennien sollte man doch den Überblick behalten, außerdem war er im Verlauf der gleichen Reise mit dieser Frau auch in der Stadt bei den Mönchen gewesen; Anmerk. des Verf.]. Diese Musik war nicht schlecht, aber in Hans Köberlins Ohren viel zu glatt, erst nach einer Viertelstunde brachte das Saxophon etwas Schwung hinein. Beim dritten Stück, Tutu, gab es ein passables Gitarrensolo und Miles Davis spielte ohne Dämpfer, was kraftvoller klang, dann plätscherte die Musik hinter dem Frühstück und seinen Zärtlichkeiten vor sich hin, bis der Perkussionist Hans Köberlin bei Heavy Metal Prelude und anschließend bei Heavy Metal aufhorchen ließ. Höhepunkte waren für Hans Köberlin New Blues und Code M. D., die in ihrer Art teilweise an die Zeit der Jack Johnson-Sessions erinnerten – Portia geriet dem Saxophonisten ein wenig zu pathetisch –, Jean Pierre, das Hans Köberlin, hätte es den Titel nicht gegeben, so schnell gespielt nicht als solches erkennen würde, und natürlich wegen der positiven Besetzung durch das bei-der-Musik-von-Cindy-Lauper-Vögeln, das Schmachtstück Time After Time.
* Erst irgendwann, lange nach seiner Rückkehr, fiel Hans Köberlin auf, daß er dieses Konzert falsch in seinem Musikarchiv katalogisiert hatte, und wir hatten ihm diesen Fehler auf S. 1107 durchgehen lassen. Das Jazzfestival hatte nämlich nicht in Vienna, sondern im französischen Vienne stattgefunden. Er hatte noch nie etwas von diesem Ort gehört und schaute auf der Landkarte nach, um dabei festzustellen, daß er im – von heute aus – vergangenen Herbst, genauer: am Freitag, dem 11. Oktober 2013, bereits durch den Ort gefahren, als er die Frau ein Stück auf ihrer Heimfahrt begleitet und sie ihn zum ersten Abschied von dem kleinen sympathischen Städtchen an der Rhône zu dem Flughafen der nach einer Kalbsfleischwurst benannten Großstadt gebracht hatte (siehe oben, S. 210ff.).
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XI [Erstes Intermezzo – oder: Zäsur] Vom 31. Januar bis zum 9. Februar 2014, S. 1107).
1986-07-12-20 Nice [Freitag, der 28. März 2014]
Dann bereitete er sich sein Frühstück, zu dem er den letzten verbliebenen Konzertmittschnitt Miles Davisʼ hören wollte, ab morgen würde es dann die drei Kompilationen geben, aus dramaturgischen Gründen in umgekehrter chronologischer Reihenfolge, also mit Teo Maceros Mixtur LivE EviL, bestehend aus den Liveaufnahmen der Cellar Door Sessions und Studioaufnahmen der Sessions zu Jack Johnson, als Abschluß dieses Rituals. Der Mittschnitt für heute war einer von Stücken jener Konzerte, die während eines Jazzfestivals zwischen dem 12. und dem 20. Juli 1986 im Jardin des Arênes de Cimiez in Nice stattgefunden hatten. Es gab zu Beginn tatsächlich ein paar Anklänge an Jack Johnson, doch dann wurde es nur hektisch und Hans Köberlin war kurz davor, sein Ritual zu verfluchen, fragte sich, warum er einer Musik, die nicht die seine war, etwas abgewinnen wollte, nur weil der Musiker an einem früheren Punkt seiner Vita ein Genie und maßgeblich für Hans Köberlins éducation musicale gewesen war … Es kamen einzelne Passagen, die Hans Köberlin gefielen, aber alles blieb weitgehend ein Brei in seinen Ohren, bis Time after Time kam, wie immer schön, nicht nur wegen der Erinnerung, es war leider nicht der Abschluß. Es war schon eine durchwachsene Zeit gewesen, die späten siebziger, die achtziger und die frühen neunziger Jahre …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. noch offen).
Samstag, 8. Juni 2024
1985-07-28 Tokyo [Freitag, der 24. Januar 2014]
Dann hatte er noch ein Einzelstück, fast genau zehn Jahre später aufgenommen, also nach der großen Pause, am 28. Juli 1985 auf dem Under the Sky Festival in der Hauptstadt des Landes der aufgehenden Sonne, eine Coverversion des Cindy-girls just want to have fun-Lauper-Hits Time After Time, knapp zehn Minuten, ein wenig ein sogenanntes ›Schmachtstück‹, aber dennoch Hans Köberlins Lieblingsstück aus Miles Davis’ letzter Phase, nicht zuletzt weil er, während er auf seinem zweiten Bildungsweg gewandelt, zu She’s so Unusual ausgiebig mit einer Frau gevögelt hatte …
»Leider bloß eine Nacht lang, aber nie werde ich diese Nacht vergessen! Natürlich haben wir She’s so Unusual, eine Cassette, die mein Fickmäuschen mit in den Koitus gebracht hatte, nur einmal gehört, ich habe Pink Floyd beigesteuert und dann später, im Morgengrauen, Grateful Dead.«
… das Stück hörte er also im Anschluß zu dem restlichen Ei und einem Brot mit Käse, was also immer noch nicht als Soundtrack für das gesamte Frühstück reichte, aber da er keine Lust auf das turnusmäßig nun folgende Konzert aus der letzten fatalen Tournee mit John Coltrane hatte, mußte es ausreichen, die Marmeladen- und Honigbrote vertilgte er zu der Musik des lokalen Klassiksenders.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 1044f.).
1983-10-23 Warszawa [Donnerstag, der 27. März 2014]
Zum Frühstück im leeren Wintergarten gab es heute den Mitschnitt jenes Konzerts, das Miles Davis am 23. Oktober 1983 in der Hauptstadt der östlichen Nachbarn von Hans Köberlins Herkunftsland gegeben hatte. Es war ein langer Mitschnitt von mehr als zwei Stunden mit dem üblichen Programm aus der Zeit und mit der um einen Keyboarder erweiterten Besetzung des Mitschnitts aus Montreal, also vor allem mit John Scofield an der Gitarre und einem anderen Bill Evans am Saxophon. Es erschien Hans Köberlin hektisch und ohne einen homogenen Groove, der einen in sich eingesogen oder in den man oder zumindest Hans Köberlin sich hinein hätte hören konnte. Während John Scofields Solo, das ihm das erste war, was ihm bei diesem Konzert wirklich gefiel, begann eine Töle in der Nachbarschaft furchtbar laut zu kläffen, das wollte schier kein Ende nehmen und Hans Köberlin wünschte dem Tier, Kafka zum Trotz, von oben Schlimmes herab, Schlimmes dem Hund und Schlimmes vor allem seinem Halter. Wenn man die Tiere, die jetzt ohne Nutzen Haustiere waren, sich selber überlassen und nicht halten würde, nervten sie wahrscheinlich weniger. Die Musik blieb inhomogen, egal ob es schnelle oder langsamere Stücke waren. Es erste Mal wirklich auf hörte Hans Köberlin bei Scofields und Evans Zusammenspiel und Miles Davisʼ Dazustoßen bei Code M. D., dann schweifte er wieder ab bis zu Jean Pierre, das aber hier nicht so gelungen war. Dem Applaus nach zu urteilen waren alle Stücke, die danach noch kamen, wohl Zugaben. Bei dem folgenden, als unknown bezeichneten Stück gab es ein schönes, aber nur kurzes Baß-Solo, dann folgte nochmals der Disco-Funk vom Beginn, »We want Miles!« skandierte das Publikum anschließend und er spielte das gleiche Stück nochmals. Später kam noch, eher ungewöhnlich für die Zeit, My Manʼs Gone Now aus Porgy and Bess, das und das Folgestück Aida gaben nach all dem Funk in Hans Köberlins Ohren dem Hören noch einen guten Abschluß.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. noch offen).
Samstag, 1. Juni 2024
Freitag, 24. Mai 2024
Montag, 20. Mai 2024
Empirie, 36. Update
- Stand des Manuskripts:
- Seiten: S. 1.912 von ca. 2.400 Seiten
- Fußnoten: 5.032
- Stand der Bearbeitung:
- Seiten: S. 1.640 von ca. 2.400 Seiten
- Fußnoten: 4.225
- Kapitel: XIV (= Phase 6 – oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung*) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Bearbeitung: Mittwoch, der 26. März 2014, der 176. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Der Beginn der Handlung ist mit Analepsen der Sonntag, der 23. Oktober 4004 vor unserer Zeitrechnung, 9 Uhr vormittags,* ohne Analepsen der Herbst 2012.
- Das Ende der Handlung fällt mit den Prolepsen mit dem Ende der (oder bloß einer?) Welt zusammen,** ohne Prolepsen mit dem Frühjahr 2016.
- Beginn der Niederschrift: Mittwoch, den 2. Oktober 2013
- Ende der Niederschrift: noch nicht abzusehen.
- Stand der Überarbeitung:
- Seiten: S. 778 von 778 Seiten
- Fußnoten: 2.280
- Kapitel: VIII (= Dritte Phase – oder: Konsolidierung) von VIII Kapiteln nebst einem vorläufigen Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 19. Dezember 2013, der 79. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
- Stand der Überarbeitung:
- Seite: S. 1.537
- Fußnoten: 3.986
- Kapitel: XIV (= Phase 6 – oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung*) von XXIV Kapiteln nebst einem Anhang
- Tag der Überarbeitung: Donnerstag, der 13. März 2014, der 163. von 324 konkreten und von allen möglichen Tagen
* (= die Fußnote 3970 auf S. 1512) Rainald Goetz, Word, Hamburg 1994.
** (= die Fußnote 5 auf S. 7) »Non in tempore sed cum tempore Deus creavit caela et terram.« (Augustinus).
Nun: »In der Schiffsbibel von Charles Darwin auf der ›Beagle‹, mit der er von 1831 bis 1836 die Welt bereiste, stand das Datum der Weltschöpfung eingetragen: 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 9 Uhr vormittags.« (Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 47). Das war ein Sonntag, am folgenden Freitag war er, der Schöpfer, fertig, und auch das jüngste Gericht soll nach christlichen Vorstellungen auf einen Freitag fallen, ein Datum haben wir gerade nicht zur Hand.
»Soldats, quarante siècles vous regardent!«
»L’ouvrage que j’ai entrepris aura la longueur d’une histoire«, hatte Balzac stolz in seinen Avant-Propos de La Comédie humaine postuliert.
*** (= eine Anmerkung aus der fünften Nachlese) »Die Welt des Dichters ist nicht die einzige Welt. Es gibt mehrere Dichter.« (Bertolt Brecht, Schriften zum Theater 1; in: Gesammelte Werke, hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Frankfurt am Main 1967, Bd. 15, S. 393).
Wird aktualisiert!
Freitag, 10. Mai 2024
Samstag, 4. Mai 2024
Freitag, 19. April 2024
Dienstag, 9. April 2024
Dienstag, 2. April 2024
Benisa [174 / 150] Montag, der 24. März 2014
Man parkte irgendwo in der Nähe des Hauptplatzes mit der Catedral de la Marina und flanierte. Hans Köberlin machte wie üblich seine Bildchen: die Catedral de la Marina in der Abenddämmerung, das Abendrot vor einem lokal typischen mehrgeschossigen Wohnhaus mit einer pittoresken Palme davor und mehrfach den in der blauen Stunde gelb angestrahlten Palacio de los Torres-Orduña. Der hatte in dem gelben Licht vor dem dunkelblauen Himmel dahinter und mit den Zypressen davor etwas von dem Ambiente eines dieser italienischen surrealistischen Bilder und erweckte wegen der Zypressen in Hans Köberlin auch Assoziationen an Böcklins Toteninsel. Unsere Wiedergabe in Schwarzweiß von Hans Köberlins Farbbildchen gibt das natürlich nur unvollkommen wieder …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XIII [Sechste Phase ‒ oder: Gift und Geschlechtsverzweiflung] Vom 13. März bis zum 10. April 2014, S. noch offen).
Samstag, 30. März 2024
1983-07-07 Montréal [Mittwoch, der 5. März 2014]
Zum Frühstück hörte er jenes Konzert aus Miles Davis’ letzter Phase, daß jener am 7. Juli 1983 im Théâtre Saint-Denis in Montréal gegeben hatte. Die Stücke zu den Titeln waren Hans Köberlin bis auf Jean Pierre nicht präsent, es begann mit einem gefälligen Funk, Disco, aber wegen Miles Davis’ Spiel und John Scofields Gitarre – die bei dem gesamten Konzert herausragend war – annehmbar,* dann kam ein ruhiges Stück, Hans Köberlin schaute nach, es war Star People, das erinnerte fast an die Jack Johnson-Sessions. Auf dem dritten Stück, wieder einem Disco-Funk, war es Bill Evans’ Saxophonspiel, das an die guten Zeiten gemahnte. Das vierte Stück war wieder ruhig – generell gefielen hier Hans Köberlin die ruhigeren besser –, er schaute nach, It Gets Better. Dann ein Stück, das in der Manier des ersten begann, dann aber plötzlich langsam und interessant wurde, es hieß Hopscotch** und ging so, langsam und interessant, auch über in Stars on Cicely, was Hans Köberlin sehr gefiel, dann kam, auch vom Publikum gleich erkannt, immer wieder schön Jean Pierre, das in der gleichen Manier in ein Stück mit dem Titel Coda 3 überging, was Hans Köberlin nicht bemerkt hätte, wenn sein Blick nicht zufällig auf den Monitor des Laptops gefallen wär, und so klang es auch mit einem Stück namens Creepin’ In aus. Hans Köberlin fragte sich, ob Altersmilde sein Urteil, das nun auch Miles Davis’ Abkehr vom Radikalen goutierte, mitbestimmte …
* John Scofield in dem Begleitbuch zu That’s what happened 1982-1985 (The Bootleg Series, Vol. 7, Columbia Records 2022, S. 13): »We were playing funk, but he [Miles Davis] was playing something else on top of it that was very much jazz music. He wouldn’t play cliches ans stuff, he had extended his jazz vocabulary on the trumpet, and was playing it in the funk idiom of 1984.«
** In der Fußnote 3339 – die vierte Ziffer ist übrigens die Summe der drei vorherigen – oben auf S. 1239 hatten wir als ein Apropos zu der Unsterblichkeit qua Gutenberg (Tina) eine kurze Anmerkung zu Cortázars wunderbarer Erzählung Queremos tanto a Glenda gemacht, ohne auf die Fortsetzung oder besser das Nachspiel dieser Erzählung einzugehen. Nun, wegen des Titels Hopscotch und aus Anlaß einer Revision Hans Köberlins vom Sonntag, dem 27. Februar 2022 – auf den Tag ein Jahr lebte er da mit der Frau in der Mansarde an der Westküste – wollen wir dieses Versäumnis nachholen. Das Nachpiel zu Cortázars Erzählung Queremos tanto a Glenda war die Erzählung Botella al mar, eine Erzählung in Form eines offenen Briefes an die Schauspielerin Glenda Jackson, die als Glenda Garson camoufliert Gegenstand der Erzählung Queremos tanto a Glenda gewesen war. Glenda Jackson nun hatte – ohne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, um auch einmal diese abgedroschene Phrase zu benutzen, Cortázars Erzählung kennen zu können – 1980 unter der Regie von Ronald Neame in einem Film mit dem Titel Hopscotch, was auf spanisch ›Rayuela‹ hieß, mitgewirkt. Über dieses Zusammentreffen hinaus wurden in der Erzählung die Schauspielerin und in dem Film der Autor getötet, wobei hier eine Asymmetrie bestand, die Cortázar übergangen hatte: die Schauspielerin wurde in der Erzählung wirklich getötet, der Autor in dem Film aber nur zum Schein. Cortázar sah in all dem eine Kommunikation am Werk, die analog einer Flaschenpost funktionierte. Er rechnete damit, daß der Film in der spanischen Übersetzung unter dem Titel ›Rayuela‹ laufen würde, nun: im Land von Hans Köberlins Herkunft hatte man aus Hopscotch nicht ›Himmel und Hölle‹ gemacht – zurecht, denn das hätte wegen seines theatralischen Klangs nicht gepaßt –, und auch nicht ›Hinke Pinke‹ oder ›Hinkepott‹ – nebenbei: der Titel von Horst Janssens Memoiren –, sondern ›Agentenpoker‹. Hier nun noch aus Hans Köberlins Arbeitsjournal die kurze Anmerkung zu der Revision: »Ich sah den Film bereits vor langer Zeit einmal, jetzt natürlich in Hinblick auf Glenda Jackson und Julio Cortázar, der übrigens gemeint hatte, der Film tauge nichts. Ich würde ihm da widersprechen und weiß noch, daß ich beim ersten Sehen goutierte, daß bei der routiniert gemachten Komödie der Spaß nicht durch unnützes Bangen um den Protagonisten beeinträchtigt wurde, auch bei dem vorgetäuschten Tod nicht. Ein abservierter Agent mit Berufsethos rächte sich an seiner Behörde und den äquivalenten Behörden der Konkurrenz, indem er ein Enthüllungsbuch schrieb und publizierte. Bei der Musikauswahl, die angeblich Walter Matthau getroffen haben soll, hätte man auf die totgespielte kleine Nachtmusik verzichten können.« Wir möchten hier noch ergänzen, daß wir noch unseren Parker Westlake suchen.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1427f.).
1981-10-11 Fukuoka [Freitag, der 10. Januar 2014]
Als Hans Köberlin seinen Dauerlauf absolvierte, bewölkte sich der Himmel und Wind kam auf, so daß er wieder einmal in dem leeren Wintergarten frühstücken mußte. Als er dazu die Liste seiner archivierten Miles-Davis-Konzerte durchging, da sah er, daß er heute noch nicht ganz so weit, also bis zum Juli 1988 in die Stadt bei den Mönchen, springen mußte, er hatte gestern ein Radiokonzert, das Davis am 11. Oktober 1981 in Fukuoka im Land der aufgehenden Sonne gegeben, übersehen. Es war zu Beginn Funk, was unabhängig von dem Spiel Davis’ – selbst wenn er seine Akzente so impulsiv wie sechs Jahre zuvor setzte – der Musik einen anderen Charakter als zuvor gegeben: sie war gefällig geworden. Man konnte hier sagen, daß nicht der Ton die Musik mache, sondern der Rhythmus. Erst bei My Man’s Gone und dem daran anschließenden Aida konnte man sich während der gelungenen Saxophonsoli und während Davis’ Soli davon etwas emanzipieren, die freigelassene Gitarre aber blieb brav artistisch. Die Ausflüge in spanische Melodien und die Zitation von Beginn the Beguine – natürlich durch das Saxophon, man denke zweiunddreißig Jahre zurück an Kind of Blue und an das betreffende Saxophonsolo in Flamenco Scetches – in Fat Time wurde aber wieder alles von dem Funk plattgemacht. Zum Abschluß kam der bereits erwähnte Ohrwurm Jean Pierre, der einen mit dem, was einem nicht so ganz gefiel, ein wenig versöhnte. – Es war natürlich auch das Kind seiner Zeit, das hier urteilte … Hans Köberlin hatte 1981 nicht diesen, damals aktuellen, Miles Davis gehört, er hatte ihn nicht bewußt nicht gehört, sondern weil er ihn nicht wahrgenommen, er hatte den Miles Davis von Bitches Brew gehört, den vor allem, und dann noch den von Sketches of Spain, von Porgy and Bess und natürlich den von Kind of Blue … Jack Johnson und On the Corner kamen später, und Agharta und Pangaea noch später, das großartige Quintett zwischen 1965 und 1968 und In a Silent Way waren nochmals eine Sache für sich …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 928).
Freitag, 29. März 2024
1975-07-01 Newport [Freitag, der 24. Januar 2014]
Es war wieder einmal zu windig, um sich auf die andere Dachterrasse zu setzen, also frühstückte er im leeren Wintergarten. Als letzten Live-Mitschnitt vor Miles Davis’ Abtauchen hatte Hans Köberlin vom Newport Festival am 1. Juli 1975 ein einzelnes Stück, M’tume, knapp sieben Minuten lang, wie gehabt hektisch, aber mit einem bemerkenswerten Saxophonsolo, das Stück hörte er also, was aber gerade einmal für den Verzehr von einer Scheibe Brot mit Salami und einem halben Ei reichte. Dann hatte er noch ein Einzelstück …
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 1044).
1975-02-01 Osaka [Donnerstag, der 13. Februar 2014]
Hans Köberlin frühstückte also notgedrungen – wegen des heftig wehenden Windes – im leeren Wintergarten. Den Verzehr nur eines Eies pro Woche empfahl die Medizin, Hans Köberlin aß hier in seinem Exil fast täglich ein Ei … und zu dem fast täglichen Ei gab es das tägliche Miles-Davis-Konzert, heute das erste Set jenes Konzerts vom 1. Februar 1975 in Osaka, das dann als Agharta veröffentlicht worden war. Hans Köberlin kannte diesen Mitschnitt – wie auch Pangaea, den des zweiten Sets; beide Sets wie auch die übrigen Auftritte der Zeit hatten in den Ohren der Puristen, zu denen wohl auch Ian Carr gehörte, und der Konservativen kein Verständnis gefunden – auswendig, von dem düsteren Orgel-Präludium Miles Davis’, gefolgt von seinen Akzenten mit der wah-wah-verzerrten Trompete über dem dicken Percussions- und Schlagzeugteppich – dank M’tume eine wahrer Flokati! –, gefolgt dann von den Saxophon- und Gitarrensoli, gefolgt dann von dem verträumten Maiysha … bis hin schließlich, nach einem fast beschwingten Groove, zu den letzten Ausklängen von Interlude und Theme From Jack Johnson … die Titel gehörten wahrscheinlich umgekehrt zugeschrieben, es kam unverkennbar das Thema von Jack Johnson und was danach kam, das war kein Zwischenspiel, höchstens im Hinblick auf das zweite Set … Die Ausklänge wurden vor allem getragen von den beiden Gitarren …
»Der 1. Februar 1975 in Osaka …: das war es! … gewesen …«
Und Hans Köberlin beschloß –
»Man gönnt sich ja sonst nichts!«*
– sein Frühstück auszudehnen und auch noch das zweite Set – Pangaea – zu hören. Das begann mit Schlagzeug, Percussion und Gitarre als Startrampe für Miles Davis’ verzerrte Trompete, dann kam Sonny Fortunes Saxophon-Einstieg … Der folgende Teil des Konzerts, der größte Teil von Zimbabwe, war nicht so homogen wie das, was am Nachmittag gespielt worden war, vielleicht weil Miles Davis die Schmerzen in der Hüfte gehabt, die man, wie Jakob, nach einer Epiphanie hatte, nicht so homogen also, bis nach zwanzig Minuten ein schöner Groove begann. Hans Köberlin fand an dieser ruhigen Passage, daß etwas weniger M’tume oder ein etwas zurückhaltenderer M’tume eher nach seinem Gusto war. Sonny Fortune spielte da großartig, auch der Funk der Gitarristen. Interessant war auch das Spiel Michael Hendersons, Hans Köberlin assoziierte ad hoc in Umkehrung des Mannes aus der Mancha …
»… eine Windmühle …«
Es war also nur ein Moment der Orientierungslosigkeit zwischen dem dynamischen Auftakt und dem groovigen Abschluß von Zimbabwe gewesen, quasi ein Hinführen zu Gondwana, das für Hans Köberlin der melancholische Höhepunkt des Jazz und des Rock und der Abschluß von Miles Davis’ Fortschreibung der Musikgeschichte war. – Gondwana … ein lyrischer Auftakt mit Hendersons Windmühlenbaß und Fortunes Flötenspiel, Hans Köberlin war den Tränen nahe, aus seinem leeren Wintergarten auf das Ambiente seines Exils schauend … und dann nach fünf Minuten Idylle setzte Miles Davis’ Spiel ein, Euphorie breitete sich noch einmal aus, bevor das geniale Verklingen anhob, nicht nur von Miles Davis’ progessiver elektrischer Phase, sondern auch auch von den elaborierten Hoffnungen einer Generation …
»… you know the era, free love and all that Jimi Hendrix kind of stuff, in 1969, 1970, you know …«**
»Le coucher du soleil romantique …«***
… wenn er seine Band zu dem … was auch immer, Hans Köberlin wollte nicht die Ausdrücke der Superlativen … anspornte, eine Steigerung wie zu einem Orgasmus, dann ein abrupter Break und er spielte seine vier fünf Tackte in die Stille hinein, bevor der Groove Gondwana weitertrug …
»Courons vers l’horizon, il est tard, courons vite, pour attraper au moins un oblique rayon!«
Und dann die Gitarre … Hans Köberlin wußte nicht, ob es Reggie Lucas oder Pete Cosey war … und dann Michael Hendersen, der spielte, als wollte er ewig so weiterspielen, und dann ein letztes Mal die Trompete und dann Miles Davis an der Orgel … natürlich kam Hans Köberlin Kafka in den Sinn, der Jagdhund am Ende der Forschungen**** … und dann ein letztes Aufbäumen und dann das Verklingen in schrillen Pfeiftönen, wahrscheinlich hatte Teo Macero hier einfach die Regler heruntergedreht …
* Günter Strack (†).
** Siehe oben auf S. 1199 die Fußnote 3247. Auf Hans Köberlin lastete – nicht bloß in Bezug seines Status als Kriegskind und der verlorenen Schwester – der Fluch der späten Geburt …
*** Charles Baudelaire, Nouvelles Fleurs du Mal; in: Sämtliche Werke / Briefe, hrsg. von Friedhelm Kemp und Claude Pichois in Zusammenarbeit mit Wolfgang Drost, München 1992, Bd. 4, S. 6; von dort auch die Verse auf der folgenden Seite.
**** »… daß die Melodie, von ihm getrennt, nach eigenem Gesetz durch die Lüfte schwebte und über ihn hinweg, als gehöre er nicht dazu, nach mir, nur nach mir hin zielte […] Und ich war wirklich völlig außer mir […] aber der Melodie, die nun bald der Hund als die seine zu übernehmen schien, konnte ich nicht widerstehn. Immer stärker wurde sie; ihr Wachsen hatte vielleicht keine Grenzen und schon jetzt sprengte sie mir fast das Gehör […] diese Stimme, vor deren Erhabenheit der Wald verstummte …« (Franz Kafka, Forschungen eines Hundes; in: Gesammelte Werke in zwölf Bänden, nach der kritischen Ausgabe hrsg. von Hans-Gerd Koch, Frankfurt am Main, 2. Auflage 2014, Bd. 8: Das Ehepaar und andere Prosa aus dem Nachlaß, S. 90).
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1208ff.).
Donnerstag, 28. März 2024
1975-01-30 Kokura [Montag, der 24. Februar 2014]
Der Wind blies nach wie vor, also zog Hans Köberlin wieder mit seinem Frühstück und anschließend, nach dem Duschen, mit seinen Lese- und Schreibutensilien in den leeren Wintergarten. Zum Frühstück hörte er jenes Konzert, das Miles Davis während seiner legendären Tournee durch das Land der aufgehenden Sonne am 30. Januar 1975, also zwei Tage vor Agharta und Pangaea, in Kokura in der Präfektur Fukuoka – so interpretierte Hans Köberlin die spärlichen Angaben auf diesem Bootleg, gegeben hatte. Es gab Part 1 und Part 2, es war die Stimmung und die Struktur der beiden eben genannten offiziellen Alben, etwas unsauber aufgenommen, aber sehr schön. Hans Köberlin dachte beim Hören einmal wieder, daß er gerne ein zehnfingeriger Meister auf dem sechssaitigen Zwölffingerdarm beziehungsweise dessen stählernen Variante für die elektrische Verstärkung geworden wäre. Er dachte jetzt weniger an Fred Frith als an Jimi Hendrix oder Mike Bloomfield oder jene Gitarristen, die er gerade hörte, deren Namen ihm aber nicht präsent waren, es müßten, glauben wir zu wissen, Pete Cosey und Reggie Lucas gewesen sein. Es gab ein paar schöne Varianten gegenüber den anderen Alben aus der Zeit, etwa nach etwa vierzehn Minuten die Übergangspassage mit einem langsamen Groove, aber die Qualität der Aufnahme verschluckte viel. Dann kam Maiysha und anschließend, wie bei Agharta, wieder die Passage aus Jack Johnson. Es war alles roher, als sie es in zwei Tagen spielen sollten, wobei hier ja auch Teo Maceros nicht zu unterschätzende Nachbearbeitung im Tonstudio fehlte. Schließlich begann, so dachte Hans Köberlin, der den namenlosen Bootleg schon lange nicht mehr gehört hatte, der lange und langsame Ausklang, zu dem auch die Qualität der Aufnahme sich stellenweise ein wenig verbesserte, aber es wurde dann noch noch einmal etwas schneller, ein Stück aus den On the Corner-Sessions, Hans Köberlin hatte die Titel nicht parat, glaubte aber, es war Mtume. Ein unpassendes Mitklatschen des Publikums konnte sich etablieren und dann kam auch noch ein Schlagzeugsolo, also eher ein eher profanes Ende.
»Teo hätte das weggemacht.«
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1352).
1975-01-22 Tokyo [Donnerstag, der 23. Januar 2014]
Hans Köberlin absolvierte seinen Dauerlauf bei strahlendblauem Himmel, unter dem jedoch ein heftiger Sturm tobte. Also gab es das Frühstück in dem leeren Wintergarten, heute zu dem Konzert, das Miles Davis für eine Ausstrahlung im Rundfunk am 22. Januar 1975 in der Shinjuku Kohseinenkin Halle in der Hauptstadt des Landes der aufgehenden Sonne gegeben hatte. Es war aus der Zeit, in der sein musikalisches Schaffen für Hans Köberlin seinen Höhepunkt erreicht hatte. Nach einem ähnlichen Auftakt wie gestern gab es nur Stücke aus den On the Corner-Sessions, die allerdings auf eine höhere Stufe des Funk – Stockhausen-Funk – transzendiert waren, Hans Köberlin war begeistert und ließ seinen Geist über dem Gehörten schweifen.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 1035).
1974-03-30 New York [Donnerstag, den 9. Januar 2014]
Und Hans Köberlin frühstückte anschließend auf der anderen Dachterrasse und hörte dabei mittels des Musikarchivs auf dem kleinen Laptop und über den kürzlich erworbenen kleinen blauen Lautsprecher die beiden Sets jenes Konzerts, welches Miles Davis etwa im gleichen Stil wie das gestrige, denn Hans Köberlin hatte an diesem Morgen noch keine Lust, in Miles Davis’ letzte und in seinen, Hans Köberlins, Augen schwächste Periode zu wechseln, am 30. März 1974 in der Stadt, die niemals schlief, gegeben hatte und das später dann unter dem Titel Dark Magus publiziert wurde. Es waren diesmal sogar drei elektrische Gitarren beteiligt …
Das erste Set begann wie das gestern gehörte Konzert in der Hauptstadt, da hieß es Turnaroundphrase, hier hieß es Moja, M’tume legte mit seiner hektischen Perkussion das Fundament für Miles Davis’ hektische Trompete, anschließend übernahmen der Bass und die Saxophone und der Groove wechselte, die drei Gitarren kamen in den Vordergrund und Miles Davis setzte mit der elektrisch verstärkten und verzerrten Trompete oder mit der Orgel seine Akzente, das alles in einer Manier, die Hans Köberlin eher lag. Die letzten zehn Minuten dieses Abschnitts, Wili betitelt, waren elegischer Ausklang mit längeren ruhigen Trompetenpassagen …
Das zweite Set begann ohne die Hektik des ersten mit dem Groove, mit dem auch Wili begonnen hatte. Zunächst dominierte eine der Gitarren – Hans Köberlin konnte die drei Spieler nicht zuordnen –, dann kamen die Saxephone und die Orgel hinzu, das war eher Stockhausen denn Afrika, wohl die beiden Pole der Musik aus dieser Ära, wobei Stockhausen damals für die Spitze der okzidentalen Avantgarde stand, wie John Cage für die der neuen Welt. Es war gut, daß ›Afrika‹ nicht zur Folklore geriet, zu bloßem Kunsthandwerk für weiße Ohren, wie bei anderen Bands … Hans Köberlin hatte solche Musik im Ohr, ihm fiel aber gerade kein Beispiel ein … Man konnte, so Hans Köberlin, in einer Weltgesellschaft nicht einfach zurück zu irgendwelchen Wurzeln – siehe Eva nach dem Biß in den Apfel, beziehungsweise: siehe den unglaubwürdigen zweiten Frühling von Helena und Menelaos, der einem zu Beginn der Odyssee in der Telemachie vorgeführt wurde –, man sollte, wenn man das denn überhaupt wollte – man konnte ja auch seine ganz Herkunft hinter sich lassen –, entwurzelt sich des Prinzips ›Wurzel‹ entsinnend vorwärts zu jenen Orten, an denen es irgendeine Vergangenenheit gab, die mit der eigenen Vergangenheit irgendwie zu tun hatte, »a memory of a memory«,* und man sollte dabei all das mitnehmen, was auf dem Weg lag, auch esoterische Elektroniker aus der Domstadt. Bloß keine sogenannte ›kulturelle Identität‹! Damit schaffte man die Scheiße, die gelaufen, nicht aus der Welt … – Jedenfalls: das in seinen Teilen Tatu und Nine betitelte zweite Set war ein großer Wurf!
»Warum man wohl immer so leicht in Phrasen fällt, wenn man begeistert ist?«
Nachdem dann Miles Davis ruhig jene Tonfolge angespielt, welche später einmal Jean Pierre heißen sollte, wurde es noch einmal dynamisch, das Schlagzeug, die Gitarren und die Saxophone … und der Abschluß war nach einem kurzen Dialog mit Al Foster allein M’tumes Percussion vorbehalten …
Und Hans Köberlin wußte anschließend noch nicht, was er morgen hören würde, ob er dann den Sprung zu dem Konzert in der Stadt bei den Mönchen im Juli des Jahres 1988 wagen würde …**
* Thomas Pynchon, Against the Day, New York 2006, S. 84.
** Aus der Zeit nach dem 1. Juli 1975 und vor Juli 1988 hatte Hans Köberlin, wie er jetzt glaubte – er hatte noch mehr – nur noch Live-Aufnahmen aus Boston, New York und Tokio, das waren aber jeweils nur einzelnen Titel, die 1982 zusammengefaßt auf dem Album We Want Miles veröffentlich worden waren, unter anderem der eben erwähnte Ohrwurm Jean Pierre. Dieses Album wollte er am Stück hören, wenn er mit allen Konzerten durch war, wie auch LivE EviL, das ein Zusammenschnitt aus den Konzerten im ›Cellar Door Club‹ und den Jack Johnson-Sessions war, und wie auch Live Around the World, ein Album, auf dem Auftritte aus Miles Davis’ letzten Jahren versammelt waren.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, X [Vierte Phase – oder: modus vivendi] Vom 7. bis zum 30. Januar 2014, S. 923f.).
Mittwoch, 27. März 2024
1973-11-07 Belgrad [Dienstag, der 4. März 2014]
Zum Frühstück hörte er heute jenes Konzert, das Miles Davis am 7. November 1973 in Belgrad gegeben hatte. Es war das letzte noch nicht gehörte in seiner Sammlung aus jener Phase, die Agharta und Pangaea einleiten sollte. Hans Köberlin hatte diesen Mitschnitt schon lange nicht mehr gehört und war überrascht, wie frisch und differenziert die Musik daherkam. M’tumes manchmal doch etwas zu nervöse Percussion lief in dem ihr zukommenden Maße ab, Trompete, Baß und die beiden Gitarren trieben das Geschehen an, und natürlich das Saxophon, das nach sieben Minuten ins Spiel kam. Als Titel wurden Turnaroundphrase, Tune In 5 und Calypso Frelimo angegeben, aber Titel spielten da, bis auf Calypso Frelimo, schon keine Rolle mehr. Calypso Frelimo freilich bot sich hier, gerade durch die beiden Gitarristen, in einer wunderbar verspielten Version. Dieses Konzert war wahrlich ein bisher von Hans Köberlin vernachlässigtes Kleinod und er war froh, es an diesem Morgen sorgfältig gehört zu haben.
(¡Hans Koberlin vive! oder Schreiben als Ausziehtanz. Versuch einer Langzeitdokumentation vom 2. Oktober 2013 bis zum 21. August 2014, nebst einem Prolog, anhebend bei der Schöpfung der Welt, und einem Epilog, fortdauernd bis zu deren Ende, Calpe, Berlin und Heide 2013ff., Zweiter Teil. Vom 20. Dezember 2013 bis zum 27. April 2014, XII [Fünfte Phase – oder: Un gringo en Calpe] Vom 10. Februar bis zum 6. März 2014, S. 1419f.).