Donnerstag, 12. November 2015

Dienstag, der 12. November 2013


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»Ich war im Traum auf einem riesigen Kreuzfahrtschiff, war aber irgendwie bei der Mannschaft in den unteren Chargen untergebracht, ich vermutete das, weil ständig per Lautsprecher Anweisungen des Kapitäns kamen und es ein ständiges Gehetze war. Wir waren noch nicht auf dem Meer sondern noch auf Flüssen und Kanälen auf dem Weg dorthin, auf Wasserwegen, die manchmal ziemlich eng wurden. Als an einer Schleuse ein Frachtschiff vorbeikam, desertierte einer der Matrosen: er sprang über Bord und schwamm dorthin, ein Trottel war er, weil nun kam er vom Regen in die noch schlimmere Traufe, denn auf den Frachtschiffen fehlten immer die Leute und man wurde noch mehr gehetzt. Das Kreuzfahrtschiff mußte des öfteren durch Tunnels fahren. In denen waren oben wie eine Galerie Geleise an den Wänden angebracht, auf denen wie in einer Geisterbahn kleine Loren fuhren, von denen aus man das Schiff von oben betrachten konnte, während man es umkreiste, man mußte dabei bloß aufpassen, daß man im Rauch der Schornsteine nicht erstickte. Ich fuhr mit der Frau in einer solchen Lore, es war schön und ein wenig gefährlich aufregend, wie das Fahren in der Domstadt mit der Seilbahn in der winzigen gläsernen Kabine hoch über dem Rhein. Als das Schiff wieder aus dem Tunnel herausfuhr, stand ich oben am Rand der Tunnelausfahrt und wartete darauf, wieder aufspringen zu können, wobei ich aufpassen mußte, nicht in das Wasser zu fallen, das einige hundert Meter unter mir war. Der gigantische Rumpf zog hautnah an mir vorbei und ich spürte förmlich den Stahl. Dann war ich mit der Frau in dem Aussichtsturm des Schiffes. Wegen der frühen Morgenstunden war außer uns noch niemand da. Es war schön dort, mit gigantischen Panoramafenstern, und wir bewunderten die Landschaft, denn wir waren immer noch nicht auf dem offenen Meer.
Mit diesem Eintrag in sein Arbeitsjournal begann Hans Köberlin den Dienstag, den 12. November 2013.* Der verlief in seinem Verlauf weiter wie gehabt, wobei Hans Köberlin seinen am Vortag aufgestellten hiesigen Weitschwimmrekord gleich wieder einstellen konnte – seine absoluten Weitschwimmrekorde im Meer hatte Hans Köberlin vor Jahren in der Cala de Déià auf der Insel des zweiten Gesichts und in Polignano a mare aufgestellt –, noch ein paar Tage stetiger Steigerung, und er würde es bis an die Mauer der Mole, also bis auf die andere Seite der Hafenein- und -ausfahrt, schaffen.** Es gab auch an diesem Tag keine Begegnungen mit Turbanträgern, dafür eine mit einem alten Angelsachsen (Hans Köberlin hatte ihn bereits desöfteren gesehen), der mit einem realen Golfschläger und imaginären Golfbällen Abschläge gen Meer, das sich aber darum nicht kümmerte, übte. Das Ende von Antonionis Blow Up (1966) fiel Hans Köberlin dabei ein, David Hammings wäre, wenn er noch lebte, jetzt in seinem Alter …


* Zum Geburtstag des Regisseurs Jacques Tourneur im Jahre 1904 gab es ein Filmstill mit Jane Greer und Robert Mitchum aus dem film noir Out of the Past (1947). Außerdem hatte Hans Köberlin das Kalenderblatt des Jahres 1996 aufgehoben, das die Regisseurin Véra Belmont bei den Dreharbeiten von Milena (1991) zeigte. Er hatte dieses Blatt wohl nur wegen des enigmatischen Gesichts der Regisseurin aufgehoben, denn er kannte weder sie noch den erwähnten Film noch einen anderen Film von ihr, und er wußte auch nicht, daß die reale Frau hinter der Filmfigur Milena eine Bekannte von Kafka gewesen war. Was Hans Köberlin außerdem nicht auffiel, weil er es nicht wissen konnte, das war, daß das Bild von Véra Belmont hier nichts zu suchen hatte, denn sie war am 17. und nicht am 12. November 1931 geboren worden.
** Er sollte in dieser Schwimmsaison nicht mehr bis an die andere Seite der Hafenein- und -ausfahrt kommen, und in der nächsten Saison, als er wieder dermaßen trainiert war, daß er es hätte schaffen können, war in der Hafenein- und -ausfahrt so viel Schiffsverkehr, daß es deswegen unmöglich war. Zu Hans Köberlin tatsächlichem und bis heute unüberbotenem Weitschwimmrekord siehe unten.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VI [Phase II – oder: post Telos], 3. bis 14. November 2013).

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