An diesen Meistern und Kennern des Unsichtbaren erstaunt mich vor allem, daß sie, greifen sie zur Feder, um uns ihre Geheimisse mitzuteilen oder zu vermitteln, allesamt schlecht schreiben. Ich will nicht so recht verstehen, daß ein Mensch den Teufel beherrschen kann, nicht aber die portugiesische Sprache. Warum sollte der Umgang mit dem Dämon leichter sein als der Umgang mit der Grammatik? Wer durch eine lange Schulung seiner Aufmerksamkeit und seiner Willenskraft, wie er sagt, Astralvisionen haben kann, wie kann ein solcher Mensch nicht mit wesentlich weniger Aufwand syntaktische Visionen haben? Was an Dogma und Ritual der hohen Magie hindert jemanden zu schreiben, ich sage nicht einmal klar zu schreiben, da Unklarheit vielleicht zum Gesetz des Okkulten gehört, doch zumindest elegant und fließend, was im Bereich des Abstrusen durchaus möglich ist. Warum die gesamte seelische Energie auf das Studium der Sprache der Götter verschwenden und nicht ein Quentchen aufsparen, mit dem man Farbe und Rhythmus der menschlichen Sprache studieren kann?
Ich mißtraue den Meistern, die sich nicht einmal auf die einfachsten Dinge verstehen. Sie sind für mich wie jene befremdlichen Dichter, die außerstande sind, wie jedermann zu schreiben. Ich gestehe ihnen ihre Befremdlichkeit zu; doch wäre es mir lieb, sie könnten mir beweisen, daß sie befremdlich sind, weil den normalen Menschen überlegen und nicht etwa unterlegen sind.
Es heißt, schon so mancher große Mathematiker habe sich beim Zusammenzählen geirrt; doch hier geht es nicht um Irrtum, sondern um Unkenntnis. Hält ein großer Mathematiker zwei und zwei für fünf, ist das ein Zeichen von Zerstreutheit, wie wir sie alle kennen. Was aber Zusammenzählen ist, oder wie man zusammenzählt, muß er wissen. Und das genau ist bei den Meistern des Okkulten in übergroßer Mehrzahl der Fall.
(Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares, hrsg. von Richard Zenith, Zürich 2003, S. 258).
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