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Am Samstag, dem 5. April 2014, förderte der Griff in die Filmkalenderblattsammelkiste anläßlich des Geburtstags von Peter Greenaway im Jahre 1942 ein Still auf dem Blatt des Jahres 2013 mit drei Generationen Cissies aus
Drowning by Numbers (1988) zu Tage. Dieses enigmatische Meisterwerk war einer von Hans Köberlins Lieblingsfilmen, und am Freitag, dem 11. Juni 2004, hatte er in einem leider nicht mehr zu ermittelnden Kontext in seinem Arbeitsjournal notiert: »Bei Greenaway dachte ich an den Kopf des Literaturwissenschaftlers, dem nicht der Gedanke an Fremdeinwirkung kam. Es waren bei Greenaway häufig die Crétins, die dem Genie das Genick brachen: die Neider bei dem Zeichner* und dem Architekten,** die Verwandten bei der Frauenverschwörung und der impotente Machtmensch bei dem Koch.« Die Männer hatten ihr Schicksal sämtlich – außer natürlich Madgett und Smut – verdient.***
* Über
The Draughtsman’s Contract, mit dem auf dem Blatt aus dem Jahre 2012 Greenaways Geburtstag gedacht wurde, hatte Hans Köberlin am Sonntag, dem 16. Januar 2011, folgendes in seinem Arbeitsjournal notiert: »Ein überheblicher (›cocksure‹ hieß es in dem Summary der
IMDb) Zeichner (wie auch der Architekt in Rom am Anfang überheblich war) wurde Teil einer Intrige, nachdem er auf seinen Zeichnungen – wie in
Blow Up (1966) Antonionis Photograph auf seinen Abzügen – zufällig einen Mord dokumentiert hatte (und wie in
Blow Up war Sex ein Teil der Intrige). Am Ende wurde ihm seine Überheblichkeit, die, wie die Tochter des Hauses ganz richtig festgestellt, mit einer großen Naivität gepaart war, zum Verhängnis. Eingebunden war die Geschichte in eine raffinierte Anordnung der Perspektiven der Zeichnungen und ihrer Motive, dem Abgleich der Zeichnungen mit der Realität, mit den ästhetischen und kunsttheoretischen Diskursen der Zeit (etwa die von der Tochter vorgetragenen Überlegungen über den Raum zwischen dem, was man sah und was man dachte – wir hatten vorgestern
Ähnliches im Kontext mit Brechts Arbeitsjournal) und mit vielen Anspielungen auf allesmögliche. Peter Greenaway ist der manieristische aller Regisseure, der allerdings bei diesem Film noch nicht seine Meisterschaft erreicht hatte. Was ich vor Jahren bei Ranke-Graves gelesen habe, was mir aber so nicht mehr präsent war, das waren einige Zusammenhänge des Mythos von Persephone, der den Wechsel der beiden (doch eigentlich drei, aber es geht ja um das Wachstum) mediterranen Jahreszeiten erklärt. Bei Greenaway brachte der Zeichner bei seinem zweiten Besuch seiner ehemaligen Auftraggeberin drei Granatäpfel aus einem Gewächshaus, woraufhin die meinte: Persephone habe wegen des Verzehrs eines Granatapfels in der Unterwelt bleiben müssen, der Mensch dann habe aber mit seiner Findigkeit Mittel gefunden (Gewächshäuser und Öfen), während der wegen des Unterweltsaufenthalts der Persephone unfruchtbaren Zeit Granatäpfel zu züchten, und so schließe sich der Kreis.«
** Zu
The Belly of an Architect (1987), den sich Clemens Limbularius als Vorbereitung zu seiner Reise in die ewige Stadt angeschaut hatte, vgl. vom Verf.
… du rissest dich denn ein., Berlin 2010, S. 278ff.
*** Außer Peter Greenaway hatten heute noch zwei, in maritimen Rollen glänzende, Schauspieler Geburtstag, nämlich Spencer –
The Old Man and the Sea (1958) – Tracy (im Jahre 1900) und Gregory –
Moby Dick (1956) Peck (im Jahre 1916) – an den hatte Frank Zappa sicher bei der Benennung des Protagonisten seines Dramoletts
The Aventures of Greggery Peccary gedacht –, sowie der Regisseur Hector Olivera (im Jahre 1931), weshalb auf dem Filmkalenderblatt des Jahres 1996 ein Still aus
Le noche de los lápices (1986) zu sehen war.
(aus:
¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XIV [Phase 6 – oder: Sehnsucht], 13. März bis 10. April 2014).