Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Sonntag, 3. April 2016
Donnerstag, der 3. April 2014
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Obwohl Hans Köberlin in seinem Exil an der weißen Küste bereits mehrere hundert Seiten Aufzeichnung verfertigt hatte, sah er das nicht als geleistete Arbeit an, weil er es einfach so getan hatte, wie es gerade über ihn gekommen war. Der Begriff der ›Arbeit‹ war bei Hans Köberlin ‒ wie auch (soweit wir naturwissenschaftliche Banausen das beurteilen können) bei der physikalischen Definition ‒ mit etwas verbunden, daß überwunden oder dem widerstanden werden mußte, über den quasi natürlichen Widerstand gegen die Schwerkraft, der Hans Köberlin neulich im Kontext einer Bemerkung Blumenbergs untergekommen war, hinaus. Mit seiner, der John Cages ähnlichen, Methode, die das ›einfach so über einen Kommen‹ zuließ, war ihm das Schreiben zu einer Art Natur, die sich von selber reproduziert, geworden.* Und Hans Köberlin war in dieser Natur kein kultivierender Gärtner, er hielt sich als Lotophage darin auf und empfand das als artgerecht. Freilich gab es da diese Warnung des Herrn Keuner: »Es ist nötig für uns, von der Natur einen sparsamen Gebrauch zu machen. Ohne Arbeit in der Natur weilend, gerät man leicht in einen krankhaften Zustand, etwas wie Fieber befällt einen.«** Das war bei Hans Köberlin mit all seinen emotionalen Exaltiertheiten, die ein selbstbestimmtes Leben im Mediterranen für einen die Entfremdung gewöhnten Nordeuropäer so mit sich brachte, zweifellos so, aber …
* »Wo man hinspuckt, da keimt es«, hatte sein alter Freund C. N. Max Frischs Homo Faber zu zitieren gepflegt.
** Bertolt Brecht, Geschichten vom Herrn Keuner; in: Gesammelte Werke, hrsg. vom Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, Frankfurt am Main 1967, Bd. 12: Prosa 2, S. 382. ‒ Hans Köberlin lebte zwar wie ein Lotophage, hatte aber nicht die Moral eines Lotophagen, bei ihm war nämlich die Arbeit nicht bloß mit Überwindung und Widerstand verbunden, sondern auch das Leben und das Überleben mit Arbeit. »Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen«, damit hatte ihn seine dörfliche Umwelt von frühester Kindheit an imprägniert. ‒ Nun, man mußte ja nicht gleich Lotophage sein, man mußte bloß in die Lage kommen, sein richtiges Maß zu finden; auch dazu gab es eine Geschichte: »herr keuner befürchtet, daß die Welt unbewohnbar werden könnte, wenn allzu große verbrechen oder allzu große tugenden erforderlich sind, damit der mensch seinen lebensunterhalt verdienen kann. so flieht herr keuner von einem land zum andern, da überall zuviel von ihm verlangt wird, sei es nun opferwille oder tapferkeit oder klugheit oder freiheitswille oder gerechtigkeitsdurst, sei es grausamkeit, betrug usw. alle diese länder sind unbewohnbar.« (ders., Arbeitsjournal. 2 Supplementbände zu den gesammelten Werken, a. a. O., Frankfurt am Main 1974, S. 67f.). Vgl. zu diesem Themenkomplex auch vom Verf. den Prolog von Telos oder Beiträge zu einer Mythologie des Clemens Limbularius, Berlin 2013, S. 16ff.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XIV [Phase 6 – oder: Sehnsucht], 13. März bis 10. April 2014).
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