[16 / 308]
Nach dem Frühstück las er Lord Jim zu Ende …
And that’s the end. He passes away under a cloud, inscrutable at heart, forgotten, unforgiven, and excessively romantic. Not in the wildest days of his boyish visions could he have seen the alluring shape of such an extraordinary success! For it may very well be that in the short moment of his last proud and unflinching glance, he had beheld the face of that opportunity which, like an Eastern bride, had come veiled to his side.Wie immer, wenn er einen gutes Stück Literatur, das ihn über längere Zeit begleitet hatte (hier kam noch hinzu, daß Hans Köberlin just da mit der Lektüre begonnen hatte, als er die Frau kennengelernt und auch las, als er anfing, sich in sie zu verlieben), ausgelesen beiseite legte, fühlte er ein Loch in sich, eine Leere, als habe sich ein guter Freund verabschiedet (ein Klischee, wir wissen das, aber es war so).* Jim war, wie bereits angedeutet, zwar der Agonist des Romans, aber der Protagonist war Marlow und sein Erzählmanagement. Und die Figuren, die Hans Köberlin am nächsten gingen, waren jener Kapitän und Beisitzer der Gerichtsverhandlung gegen Jim, dem das Schicksal alles in den Schoß gelegt, der sich aber dennoch von einem Tag auf den andern das Leben genommen – genial, wie hier Conrad offen ließ, welche Rolle der Prozeß gegen Jim und die Person Jims mit ihrem spezifischen Charakter dabei gespielt –, und natürlich Stein, der Jim als Romantiker identifiziert hatte. So einen Mentor oder Mäzen wie Stein wünschte Hans Köberlin sich, der Typ ›materiell erfolgreicher Kenner‹ (Reemtsma), der sich auf seinen materiellen Erfolg nichts einbildete und an ihn, an Hans Köberlin glauben und ihm ein materielles Refugium zur Verfügung stellen würde, damit er unbehelligt von jedwedem Markt und der damit verbundenen Not schreiben könnte …
* Jules de Goncourt (vermutlich) schrieb am 12. November 1861 in das brüderliche Journal, er habe an das von ihm Gelesene eine unvollkommene Erinnerung, wie an Landschaften, durch die er gereist sei und die er wiedererkenne, ohne zu wissen, woran er sie wiedererkenne (Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013, Bd. 3, S. 174). Hans Köberlins Wiedererkennen war meist über Ähnlichkeiten assoziationsgesteuert. Manch Gelesenes lief auch mit und war quasi ständig präsent und mußte nicht erinnert werden, und das waren nicht nur sogenannte ›Stellen‹. Als ein Beispiel fällt uns – abwegig hier, angesichts der Temperaturen – ein, wie Hans Castorp sich auf dem Zauberberg während seiner privaten winterlichen Exkursion verirrt und schon gedacht hatte, sein letztes Stündlein habe geschlagen …
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel V [Phase I – oder: Altlasten], 13. Oktober bis 2. November 2013).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen