Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Donnerstag, 12. März 2015
Vorstellung, das Leben sei ein Roman
Am 8. Juni 1931 diskutierte Walter Benjamin mit Brecht über das Wohnen, wobei Brecht ein »mitahmendes« Wohnen (ein schönes Wort, analog zu »nachahmen« gebildet), »das seine Umwelt ›gestaltet‹, sie passend, gefügig und gefügt anordnet; eine Welt, in der der Wohnende auf seine Weise zu Haus ist«, vom Wohnen als einer »Haltung, sich überall nur als Gast zu fühlen« unterschied. Diese Unterscheidung korreliert frappant mit Claude Lévy-Strauss’ 1962 in La pensée sauvage artikulierte Unterscheidung der Menschheit in Ingenieure und Bricolateure. Benjamin unterschied dagegen »das Wohnen das dem Wohnenden das Maximum und dasjenige, das ihm das Minimum von Gewohnheiten mitgibt.« Und über den ersten Typus schrieb er: »Der Mensch wird eine Funktion der Verrichtungen, die die Requisiten von ihm verlangen.« Und den zweiten Typus des Wohnens nennt er »das Hausen«. (Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem hrsg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1982, Bd. 6, S. 435f.). Und zum Abschluß dieses nur zwei Monate umfassenden Tagebuches: »Nachtrag zu Brechts Untersuchungen über das Wohnen und die Vorstellungen im allgemeinen: Wohnen im Hotel. – Vorstellung, das Leben sei ein Roman.« (ebd., S. 441).
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Ähnliches findet man unter dem Datum 10. Juli 1864 im Journal der Gebrüder Goncourt: »Auf dünnem Ast leben, liegt darin die Weisheit? Im Hotel leben, ist das die Zukunft?«
(Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013, Bd. 4, S. 87).
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