Seine Tage hier würden jetzt wohl einförmiger werden, da er alle sichtbaren Gipfel bestiegen und da er fast alle ›natürlichen‹ Straßen (was so viel hieß wie: alle außer den labyrinthischen Straßen der Urbanizaciónes) begangen und da er alle Playas und alle Calas und alle Puertos in seinem fußgängerischen Einzugsbereich besucht hatte, Abwechslung und Sensationen würden das Lesen und das Schreiben und die Musik- und manche Filmrezeption in sein Hiersein bringen, und natürlich die alltägliche Sensation seines selbstbestimmten (wir verwenden den Ausdruck weiterhin) Hierseins an einem idealen Ort und die wenn möglich permanente Reflektion der alltäglichen Irrationalität seines selbstbestimmten Hierseins an einem idealen Ort …: er hatte es so gewollt: die Sensation, die in der Einförmigkeit lag. Das stand allerdings in Kontrast zu etwas anderem: Hans Köberlin empfand es nämlich als seltsam, wenn er sich musikhörend in den Büchern versenkte und – egal was auch immer, geistreiche Einfälle oder Banalitäten – schrieb, er war dabei wie in einer Blase, indifferent gegenüber seiner Umwelt, wie er es auch in der Hauptstadt gewesen und wie er es auch in Puglia gewesen, wo – in der Hauptstadt oder in Puglia – er dann auch hätte sein können, an egal welchem Ort sein können … nun aber war er hier und er war jetzt hier. Sein Hier- und Jetztsein war also zugleich äußerst signifikant und zugleich äußerst indifferent, und seine Emotionen lagen seit dem Verschwinden der Frau in der Sicherheitszone des Aeropuerto blank … Es gab Hafen für die Luft wie für das Meer … Hafen also als Orte an der Schwelle zu Elementen, die dem Menschen nicht per se zukamen, es gab keine Erdhafen und es gab keine Feuerhafen … vielleicht konnte man Raumhafen als Feuerhafen bezeichnen … und Hans Köberlin fragte sich, ob ihm jetzt dieser Gedanke von den Elementen, die dem Menschen nicht per se zukamen, allein gekommen, oder ob eine vergessene Erinnerung an eine Sloterdijk-Lektüre sich zurückgemeldet hatte.
»Aber ich muß hier sein, um mich meiner Umwelt gegenüber indifferent verhalten zu können. Vielleicht könnte man mein Verhalten am Schreibtisch (striptease table) als ›differenziert indifferent‹ bezeichnen …«
(aus:
¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis 30. Januar 2014).