- Michel Serres (Hg.), Elemente einer Geschichte der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2. Aufl. 1995
»Wie jeder weiß, gibt es zwei Arten von Artefakten: solche, die von uns unabhängig sind, und solche, die von uns abhängen. Nur die ersten funktionieren ununterbrochen oder, besser gesagt, hören niemals auf, Artefakte zu sein. Beispiel: Mauer und Dach schützen uns ständig, selbst wenn wir schlafen, doch wenn wir Spaten und Schreibfeder fallen lassen, schlafen sie, sind unnütz und nichtig, intelligent nur in unseren ekstatischen Stunden. Die wahren Werkzeuge sind im Grunde nicht auf uns angewiesen; die übrigen ruhen zu oft, um auf jenen Titel wirklich Anspruch erheben zu können. Wenn also drei Automatismen einen und denselben Namen tragen, der das Erkennen ausdrückt – der automatische Pfahl, der sich der Sonne entgegenstreckt; der automatische Winkel oder Seitenstreifen, den man anlegt oder wegnimmt; und die automatische Operation, deren Iteration Zahlenreihen erzeugt –, so ist damit der Weg zur artifiziellen, künstlichen Intelligenz bezeichnet. Deren Wandlungen, deren Werden wir in diesen drei Stadien erkennen: zunächst Ding, Pfahl oder Achse, spekulatives Werkzeug; dann Lineal, das sich zur beliebigen Reproduktion von idealen Geraden, Winkeln, Polygonen eignet, die diesem Lineal extrahiert oder, besser gesagt, abstrahiert wurden; schließlich formale Operation mit Zahlen, automatische Regel, Algorithmus.« (Michel Serres, Gnomon. Die Anfänge der Geometrie in Griechenland, S. 132). - Sören Kierkegaard, Die Wiederholung / Die Krise und eine Krise im Leben einer Schauspielerin, Reinbek 1961
»Er ist da an die Grenze des Wunderbaren gekommen, und soweit dies also geschehen soll, muß es geschehen kraft des Absurden.« (S. 52). - Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013
»Die Liebe in unseren Büchern haben wir reichlich aus unserem Hirn, aus der Erschütterung unserer Vernunft geschöpft: einer von uns war gut acht Tage lang in ein Flittchen verliebt, und der andere drei Tage in eine Nutte zu zehn Francs. Macht elf Tage Liebe für zwei.« (Bd. 4, S. 111). - E. M. Cioran, Werke, Frankfurt am Main 2008
»Die Werte des Eros erleben bedeutet, unmittelbar leben, in der Augenblicklichkeit des Lebens, in seiner geheimen Notwendigkeit, die wegen der wesentlichen Naivität jedweder erotischen Erfahrung als Freiheit empfunden wird.« (S. 127). - Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher; in: Schriften und Briefe, München 1968ff., Bde. 1-3
»Wir haben heutzutage eine ganze Menge sogenannter feiner Köpfe (nicht großer Geister). Es sind aber dieses nicht sowohl Leute, die groß in der ganzen Anlage ihres Geistes und zwar ursprünglich sind, sondern bei den meisten ist die Feinheit eine Schwächlichkeit, Hypochondrie, eine kränkliche Empfindlichkeit. Ein solcher Gelehrter ist zu feinen Bemerkungen aufgelegter als andere Menschen, stiftet aber [in] dem Reich der Gelehrsamkeit selten so viel Nutzen, glaubt viel ausrichten zu können, wenn er nur erst wollte, will aber niemals. Diese Leute bilden sich leicht nach allem wenn sie lauter Gutes lesen, so schreiben sie ziemlich gut, sie sind aber allzeit weit entfernt von der sicheren Richtigkeit der Alten, deren Genie der gesunden und festen Reife einer Frucht und nicht der welken wurmstichigen, wiewohl oft schönfarbigen einiger Neueren gleicht.« (Bd. 1, S. 55f.).
Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Montag, 23. März 2015
Bücherliste #2
Fortsetzung der aktuellen Liste der Bücher auf dem Roue à livres:
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