Der Himmel war überwiegend bewölkt, es sah aber nicht nach Regen aus. Hans Köberlin machte einen großen Sprung in Zappas Diskographie und lief mit der Mystery Disc, einer postumen Compilation aus dem Jahre 1998 mit Material aus den Jahren 1964 bis 1969. Anschließend frühstückte er wie gehabt, duschte diesmal aber gleich anschließend, denn er hatte sich während des Laufens vorgenommen, heute einen bereits seit längerem gehegten Vorsatz auszuführen, nämlich die Wiederholung der Besteigung des Peñón de Ifach, diesmal (leider!) ohne die Frau.
Mit seinen Wanderschuhen, dem Anorak, der Schirmmütze als Lichtschutz und dem schwarzen Rucksack, befüllt mit dem kleinen Laptop, dem aktuellen Band der Borges-Werkausgabe, einer Schinken- und einer Käsestulle, einer Flasche Wasser und, für den Gipfel, mit zwei Flaschen Heineken machte sich also Hans Köberlin auf, über den schnellsten Weg zur Promenade und über die Promenade bis hin zu der Straße zum Aufstieg. Er würde von nun an über Wege gehen, die er seit seinem dritten Tag hier, der 144 Tage zurücklag, nicht mehr gegangen war. Es war ihm aber noch alles präsent, etwa das Schild gleich zu Beginn, auf dem die Kinderzeichnung (oder die in Manier eines Kindes gemachte Zeichnung) eines Vogels in den hiesigen Landesfarben und der Aufschrift ›parc natural del penyal dʼifac‹ – Penyal dʼIfac, das war im lokalen Dialekt, der auch bei dem Ortsnamen das e am Ende wegließ, die Bezeichnung für den Peñón de Ifach. Hans Köberlin war, wie gesagt, kein Freund des Regionalismus.
Die Straße zum Aufstieg verlief in Serpentinen, und man sah nach der nächsten Kurve auf den Hafen hinab und hatte auf Augenhöhe ein Hochhaus, durch dessen Fenster zu spannen jedoch momentan nichts ergab, und man sah den Horizont mit der Silhouette des größten Badeorts Europas. Am Ende der Straße waren die Grundmauern eines alten Gebäudes ausgegraben und das Areal drumherum war großzügig als Ausgrabungsstätte abgesperrt worden. Anschließend passierte man ein Drehkreuz, mittels dessen die ein- und ausgehenden Besucher gezählt wurden, und am Abend, wenn der Naturpark geschlossen wurde, mußte die Differenz Null ergeben.*
Hinter dem Drehkreuz befanden sich mehrere Gebäude, unter anderem das Haus eines der ehemaligen Besitzer des Peñón de Ifach, in dem sich jetzt ein Museum über die geologische und kulturelle Geschichte des Felsens und über die lokale Flora und Fauna befand. Die Frau und Hans Köberlin hatten während ihres ersten Aufstiegs das Museum nicht besucht, und auch Hans Köberlin, der Ignorant in Sachen Natur und auch in Sachen Kultur, sollte heute kein Interesse an Geologie und an Historie und an Flora und Fauna zeigen.
Weiter ging es nun in Serpentinen auf einem Fußweg mit Holzgeländer, auf dem Hans Köberlin wegen querenden Olivenbaumzweigen ab und an seinen Kopf einziehen mußte, weiter bis zu dem Tunnel, und bei jeder Serpentine hatte man einen größeren Überblick, was so weiterging bis zu dem perfekten Rundumblick auf dem Gipfel.
* Man erinnert sich doch noch an Emilia …?
»?«
Nun komm: Emilia …
»Emilia … Emilia … Emilia …, ach, ihr meint die Emilia, die Emilia, die Clemens Limbularius im Kontext des Hans Köberlin Kongresses kennengelernt hatte, jene …«
Genau die! – Und in Cefalù, dem Ort ihrer Herkunft, da gab es, wie es hier den Peñón de Ifach gab, den Rocca di Cefalù, und auf dem gab es einen Angestellten der Gemeinde, der die Aufgabe, die das Drehkreuz hier automatisch erfüllte, manuell erledigte, jedenfalls war das so gewesen, als wir während unserer Recherchen zu dem zweiten Bericht über die seltsamen Abenteuer des Clemens Limbularius im Spätsommer 2009 diesen Felsen erstiegen hatten.
(siehe auch Samstag, den 27. Februar 2016).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen