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Nach dem Erwachen las er im Bett bei Borges etwas, das der über die Gattung ›Märchen‹ geschrieben hatte und das mit dem korrelierte, was Clemens Limbularius sich zu Beginn des ersten von uns festgehaltenen seltsamen Abenteuers beim Anblick eines Doppelhauses gedacht hatte, nämlich …
Jede Symmetrie ist eine Lüge, dachte Clemens, weil es ja zwei nur quasiidentische weil spiegelverkehrte Teile sind. Das Drama der zwei, die zusammen sind, ist: sie gehen entweder in einem auf oder zerfasern sich im Unendlichen. Außerdem, wie Blumenberg richtig bemerkt hatte, gab es da eine grundlegende Asymmetrie in allem Sein überhaupt, nämlich der Rest, der in dem voranfänglich symmetri-schen Verhältnis von Materie und Antimaterie am Anfang von allem dann von der Materie übrig geblieben war und der eben ausmachte, daß da etwas war und nicht nichts.*Borges also hatte geschrieben, das abendländische Märchen sei von perfekter Symmetrie, und er fragte sich, ob es etwas gäbe, das der Schönheit weniger ähnele als Symmetrie, um sich selbst dann in Klammern zu antworten, er wolle keine Apologie des Chaos liefern, er glaube, daß in den Künsten nichts so gefalle wie unvollkommene Symmetrien.** Der Ansicht war Hans Köberlin auch, und nicht bloß in Hinsicht auf die Künste, sondern auch auf wesentlicher Bereiche des Daseins: die linke Brust einer Frau war immer etwas anders geformt als die rechte …
* Siehe vom Verf. HannaH & SesyluS oder Eine Reise aus der Welt in drei Tagen, Berlin 2. ein wenig verbesserte Auflage 2012, S. 20.
** Vgl. Jorge Luis Borges, Von Büchern und Autoren; in: Werke in 20 Bänden, hrsg. von Gisbert Haefs und Fritz Arnold, Frankfurt am Main 1991ff., Bd. 4, S. 199.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XXI [Phase 9 – oder: Die letzte Phase], 10. Juni bis 11. Juli 2014).
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