Dienstag, 15. März 2016

Samstag, der 15. März 2014


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Man müßte sehen, wie sich der Prozeß der Kanonbildung verändert hatte (Jan Assmann lesen, müßte er selber einmal wieder, dachte Hans Köberlin, der Band befand sich in der Basisbibliothek), daß es heute, obwohl alle so taten wie früher, keinen wirklichen Kanon mehr gab (was auch gut war). Das hatte natürlich Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Autoren: schrieben sie noch für eine Ewigkeit oder zumindest für die Nachwelt (was ja eine Kanonisierung bedeutete) oder bloß noch für die Gegenwart (= den Markt …: Autor als Beruf oder Autor aus Berufung), mit einem Verfallsdatum versehene Bücher? Das Problem von Zeit und Bedeutung … Hans Köberlin dachte, im tiefsten und geheimsten Innern sollte jeder Autor ein Goethe, ein Joyce, ein Mann, ein Proust, ein Musil, oder wer immer auch sein Ideal war, sein wollen, auch wenn er wußte, daß er das nicht werden konnte, denn Goethe war nicht wegen seiner Schriften Goethe geworden – es hätte beim Werther als einer Eintagsfliege bleiben können und er wäre heute bloß noch eine Kuriosität wegen der ausgelösten Selbstmordwelle –, sondern Goethe war Goethe geworden, weil er Goethe sein hatte wollen. Dann der Funktionswandel der Literatur, der Wandel der Kulturindustrie, die Nischen und Reservate, die neuen Medien … alles auch Gegenstand der Gespräche Hans Köberlins mit Hans Köberlin,* der auf einen Platz als Hans Köberlin bloß in der Literarturgeschichte wertlegte. Aber das stimmte natürlich auch nicht so ganz …


* Bei Pynchon hieß es irgendwo: »they keeping a companionable silence«. Wieso fiel Hans Köberlin in letzter Zeit mehr als gewöhnlich – was ja schon einiges war – Pynchon ein?

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XIV [Phase 6 – oder: Sehnsucht], 13. März bis 10. April 2014).

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