Montag, 8. Februar 2016

Samstag, der 8. Februar 2014


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Die Mischung aus Wald und Park war eine Hans Köberlin angenehme Gegend, durch deren noch kahle Bäume die jahreszeitlich und tageszeitlich blasse Nachmittagssonne ein melancholisches Licht verbreitete, das der Stimmung unserer Liebenden an ihrem letzten gemeinsamen Tag entsprach. Die Frau zeigte Hans Köberlin den Kletterturm, an dem sie sich mittwochs nach Feierabend, wenn Jahreszeit und Wetter es zuließen, mit Gleichgesinnten traf, um ihrer vertikalen Leidenschaft zu frönen (sonst, wenn Jahreszeit und Wetter es nicht zuließen, traf man sich in einer Kletterhalle). Dann setzten sie sich in das Lokal des Hallenbads und aßen Currywurst mit Pommes frites und tranken dazu ein Glas Rotwein die Frau und zwei Gläser Rotwein Hans Köberlin und schauten durch eine gläserne Wand dem üblichen Treiben im Wasserbecken mit seiner spezifischen Geräuschkulisse zu.*


* Hans Köberlin erinnerte sich, daß der Hilfsbuchhalter Bernardo Soares einmal von einem kurzen, dunklen Schatten eines städtischen Baumes geschrieben hatte und von leichtem Wasserplätschern in ein tristes Becken und von einem öffentlichen Park bei anbrechender Dämmerung, daß dies in jenem Augenblick das gesamte Universum für ihn gewesen sei, denn diese Dinge hätten sein bewußtes Wahrnehmen ganz und gar in Besitz genommen; und daß er vom Leben nicht mehr wahrnehmen mochte, als wie es sich in diesen unvorhersehbaren Nachmittagen verliere zum Geschrei fremder Kinder, die in Parks wie diesem spielten, eingezäumt von der Melancholie der sie umgebenden Straßen, und jenseits des hohen Geästs der Bäume die Kuppel des alten Himmels, an dem die Sterne wiederaufflammten (vgl. Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares, hrsg. von Richard Zenith, Zürich 2003, S. 114).

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XI [Erstes Intermezzo – oder: Zäsur], 31. Januar bis 9. Februar 2014).

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