Freitag, 8. Januar 2016

Mittwoch, der 8. Januar 2014


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Wie merkten gestern an, daß Hans Köberlins Tage nun einförmiger werden würden, nun: den Mittwoch, den 8. Januar 2014, den Todestag von Paul Verlaine (†1896; von John Zorns Naked City-Projekt gab es ein wunderbares Stück in zwei Teilen zu ihm, Absinthe hieß das Album, das wollte sich Hans Köberlin bei Gelegenheit einmal wieder anhören) und Peter Altenberg (†1919),* verbrachte Hans Köberlin im Grunde wie den gestrigen Tag: er schlief aus, schrieb zuerst seinen Traum nieder,** dachte mit ein wenig Wehmut an seine verlorene Bibliothek, las dann etwas im Bett, absolvierte dann seinen Dauerlauf, diesmal mit dem ersten Teil der John-Peel-Sessions von Soft Machine, er frühstückte dann auf der anderen Dachterrasse, schrieb und las dann so lange auf der anderen Dachterrasse, wie das Wetter das zuließ, er duschte dann und machte dann seinen Spaziergang ans Meer mit dem anschließenden obligatorischen Besuch der ›Tango Bar‹ und den obligatorischen zwei oder drei vinos tintos dort.
Hans Köberlin beendete endlich nach sechs Jahren die Lektüre èn passant – deswegen hatte es so lange gedauert – von Hebbels Tagebüchern. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er die vier Bände in einem Antiquariat im Osten der Hauptstadt gekauft … Am Ende waren es bloß noch Exzerpte und Anekdoten, »Collectaneen«, wie er das genannt hatte. – Im Krankenhaus ging das frivole Gelage weiter und die schwere Geburt, nach der sich Mr Bloom erkundigen wollte, schickte sich an, zu ihrem glücklichen Abschluß zu kommen.


* Es gab gleich zwei archivierte Blätter mit Stills aus Fassbinderfilmen, nämlich Liebe ist kälter als der Tod und Der amerikanische Soldat, sowie anläßlich David Bowies Geburtstag ein Still mit ihm und Kim Novak aus David Hemmingsʼ Schöner Gigolo, armer Gigolo (1978).
** Ich hatte in meinem Kinderzimmer (mit der grünen Rauhfasertapete) Bücherregale aufzustellen, was wegen den Dachschrägen nicht so ganz einfach war, man verschenkte auf jeden Fall viel Raum. Die Regale hatte ich, glaube ich, von einem Bekannten aus der Hauptstadt, und der Busenfreund war da und es ging um irgendwelche Termine. Ich stand auf einer Leiter und sortierte oben, fast unter der Decke, die Bücher ein, die dicken grünen Bände des Grimm, als jemand vor der Haustür stand und klingelte und wie in einem Film mit Laurel & Hardy das Regal kippte, wobei es die Leiter mitriß. Elegant sprang ich von der Leiter ab und schwebte so herab, daß ich noch vor ihr und dem Regal auf dem Boden landete. Schließlich waren alle Wände vollgestellt und ich überlegte, wie ich die letzten Regale und Bücher noch unterbringen konnte. Dann nahm ich mir ein Buch zum Lesen und wollte damit irgendwohin ausgehen. Es gab ein Fest auf dem Hof, ich stand im Garten und sah zwei Mädchen, so um die vierzehn, die saßen in ihren Bikinis auf der Fensterbank im ersten Stock (wo meine Oma früher ihr Zimmer gehabt hatte und wo auch ich eine Weile gelebt habe) und ließen die Beine herunterbaumeln.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis 30. Januar 2014).

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