Herbert Neidhöfer, homme de lettres
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Sonntag, 31. Januar 2016
Freitag, der 31. Januar 2014
[122 / 202]
Er blickte um sich: … der Peñón de Ifach … die Hochhäuser … das Meer und der Horizont zwischen den Hochhäusern … die Sierra de Oltà unter dem blauen Himmel … die von staubigen Büschen gesäumten Salinen … die Avenida de los Ejércitos Españoles mit ihren Kreiseln … Es war ihm wie ein vorweggenommener Abschied, seine Stimmung steigerte sich in eine heftige emotionale Krise, er hätte weinen mögen … er wollte hier nicht weg …: er wollte bei der Frau sein, aber er wollte hier nicht weg, er wollte hier nie wieder weg, seine Tage sollten hier endlos so weitergehen.* Das alles hier war ihm so vertraut geworden, so zu einem Heim geworden, auch metaphysisch, sagte er sich sogar … Er dachte an den Traum der vergangenen Nacht und daß es schön wäre, das alles hier einmal für eine Woche oder zwei mit dem Busenfreund und den Seinen teilen zu können … er war, so sagte er sich, vollkommen aus der Welt geraten, hier, täglich über diese lange Zeit am Meer, und der Hilfsbuchhalter Bernardo Soares fiel ihm ein, der am 18. Mai 1930 in sein Livro de Desassossego notiert hatte, alle Gedanken, die Menschen je leben gelassen und alle Emotionen, die Menschen je aufgehört zu leben, seien ihm bei seinen Meditationen am Meer wie ein dunkles Resümee der Geschichte durch den Sinn gegangen.** Er, Hans Köberlin, hätte sich jetzt, um seine Emotionen in den Griff zu bekommen, am liebsten mit ein paar Flaschen Rotwein auf die Dachterrasse gesetzt und sich umgeben von diesem Ort langsam und dabei die richtige Musik hörend betrunken. Aber er wollte auch bei der Frau sein …
* »In keiner Ansicht ist die Welt reich genug, um es sich leisten zu können, nur zu geben, ohne zu nehmen.« (Hans Blumenberg, Die Sorge geht über den Fluß, Frankfurt am Main 1987, S. 157).
** Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares, hrsg. von Richard Zenith, Zürich 2003, S. 108.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XI [Erstes Intermezzo – oder: Zäsur], 31. Januar bis 9. Februar 2014).
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