Freitag, 27. März 2015

Aus mediterranen Zeiten

Irgendwann stand er auf und absolvierte seinen Dauerlauf, mit welcher Musik in den Ohren, das wurde nicht überliefert. Das Wetter ließ an diesem Tag eine Benutzung der anderen Dachterrasse nicht zu, und so setzte er sich zum Frühstück in den leeren Wintergarten, wo er sich anschließend auch wieder mit seinen Büchern und dem Laptop einrichtete. Aus dem Kamin stieg Mr Blooms Großvater Lipoti Virag und analysierte die Qualität der drei Huren im Raum, dann ging es darum, wie man Warzen loswerden konnte, was Hans Köberlin an The Adventures of Tom Sawyer erinnerte …
»Die würde ich auch gerne noch einmal lesen, und natürlich The Adventures of Huckleberry Finn, und auf dem Mississippi würde ich auch gerne einmal fahren, auch wegen Faulkner, aber bei meiner Rückkehr werde ich wahrscheinlich pleite und verschuldet sein …«
… und es ging um Schlangen, die gierig nach der Milch der Frauen waren, und um pralle Kuheuter und um eine Motte … Hans Köberlin kam bis zu der Passage, in der Mr Bloom unter seinem Alias Henry Flower als Orpheus mit der Leier auftrat, dann legte er den Ulysses beiseite und las in Schwarze Spiegel weiter.* Dabei stieß er auf einen wahrscheinlichen oder eventuellen (auch er, Hans Köberlin, hatte bei dem betreffenden Sachverhalt kein Insiderwissen) kleinen Lapsus des sich doch selber für unfehlbar wähnenden Autors. Auf Seite 215 schrieb der nämlich …

Vorm Einschlafen : trotz Müdigkeit schon eine Zeichnung gemacht fürs Haus. Morgen muß ich gleich noch einmal in die Wacholderringe und genau die Stelle ausmessen, wie hoch usw. (Und auch für den Schuppen. Am besten gleich mit Pflöcken abstecken. – Im Ort noch Millimeterpapier suchen).

Arnoschmidtleser wußten genau, wie man sich so eine Zeichnung vorzustellen hatte, nun, auf Seite 217 dann …

Drei Tischler waren im Ort gewesen : da hatt’ ich die Auswahl (und Zeichenmaterial en masse aus der Walldorf-Schule unten); so saß ich lange, bis in die lichterzuckende Nacht und grübelte …

Hans Köberlin fragte sich, ob eine Wal(!)dorfschule die richtige Adresse für Millimeterpapier, spitze Zeichenstifte und Lineale war, Steiners hatten es doch nicht so mit dem Geraden und mit den rechten Winkeln … und selbst wenn es in einer Wal(!)dorfschule Zeichenmaterial für den Geometrieunterricht geben sollte, so doch sicher nicht »en masse«, wie etwa Fingerfarben, dicke Aquarellpinsel und Aquarellpapier und ähnliches Material zum Malen von rundamorph Verlaufendem … Hans Köberlin konsultierte seinen digitalen Bargfelder Boten, doch dort wurde, soweit seine Recherche ergab, die Frage nicht verhandelt. – Dem ungeachtet war es wie immer ein großes Vergnügen, Arno Schmidt zu lesen. Hans Köberlin las auch, nach dem er es länger nicht zur Hand genommen hatte, in Alice Schmidts Tagebuch, wie das Ehepaar Schmidt 1954 in ziemlich knappen Verhältnissen den Geburtstag verbracht hatte. Ansonsten beschäftigte er sich wie immer mit seiner üblichen Lektüre und dem Festhalten seiner Reflektionen.


* Auch Arno Schmidt hatte ja bekanntlich eine Orpheus-Variation geschrieben, Caliban über Setebos, und Clemens Limbularius hatte eine erlebt, vgl. HannaH & SesyluS.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis 30. Januar 2014).

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