Sonntag, 11. Oktober 2015

Freitag, der 11. Oktober 2013


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Es war in der Tat das erste Mal in seinem Leben, daß er freiwillig (wenn auch nicht ohne Not) die Trennung von einer geliebten Frau inkaufgenommen hatte. Er blickte noch einmal zurück, seine Eurydike jedoch, wie er bei seinem Blick zurück sah, tat dies nicht, beziehungsweise: sie hatte es da getan als er es nicht getan, wie sie ihm später erzählte. Hans Blumenberg hatte völlig zurecht die »Wegtrennung« zu den »unversöhnlichen Grundformen des Daseins« gezählt.
Apropos Orpheus: an dem Tag dieses sehr traurigen Abschieds vor fünfzig Jahren, am 11. Oktober 1963 also (da war Hans Köberlin dreieinhalb Jahre alt gewesen), da war, wie Hans Köberlin nach seiner Heimkunft von dem Filmkalenderblatt, das Jean Marais in Orphée (1950) zeigte, erfuhr, der große Jean Cocteau verstorben. Auf dem Filmkalenderblatt war statt des Kreuzes irrtümlich (von Hans Köberlin dann mit Bleistift korrigiert, bevor er es in seine Filmkalenderblattsammelkiste legte) ein Asterisk vermerkt.* Hans Köberlin erinnerte sich an Godards heikles – da die beiden Freunde sich ja vertodfeindet – Vorwort zu der Ausgabe mit Truffauts Briefen, wie der ein Bild von der Premiere von Les 400 Coups (1959) bei den Filmfestspielen in Cannes beschworen, drei Generationen nebeneinander: Jean-Pierre Leaud, Truffauts alter ego als heranwachsender Antoine Doinel, François Truffaut selber und dessen Mentor Jean Cocteau … Und enden ließ Godard sein Vorwort in der Manier von Borges, indem er schrieb …
»François est peut-être mort. Je suis peut-être vivant. Il n’y a pas de différence, n’est-ce pas.«
Hans Köberlin fiel plötzlich ohne besonderen Grund ein, daß er sich vorgenommen hatte, eine Bibliographie der mitgenommenen Bücher anzulegen.


* Geboren wurde an diesem Tag im Jahre 1929 Liselotte Pulver, von deren Filmen Hans Köberlin bloß Piroschka (1955), die Adaptionen von Manns Felix Krull (1957) und – an der Seite des späteren Kommissar Haferkamp, Hansjörg Felmy – der Buddenbrooks (1959), wegen Wolfgang Neuss Das Wirtshaus im Spessart (1958) und natürlich – das einzige Meisterwerk in dieser Aufzählung – Billy Wilders One, Two, Three (1961) erinnerte.
** François Truffaut, Briefe 1945-1984, zusammengestellt von Gilles Jacob und Claude de Givray, Köln 1990, S. 7f. Bei Godards »peut-être«, das sich auf Truffauts Tod bezog, handelte es sich, wie ein Faksimile dieser Zeilen im Buch zeigte, um eine Einfügung … wir würden gerne wissen, wann Godard sie gemacht hatte …

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel IV [Transfer complete], 10. bis 12. Oktober 2013).

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