Sonntag, 24. Februar 2019

Las caras de las medalla

In dieser Erzählung entzog sich – wie in Las armas secretas – eine Frau dem Begehren eines Mannes. Man erfuhr nicht, warum, diesmal schien aber kein schlimmes Erlebnis dahinterzustecken, vielleicht war die in der calvinistischen Schweiz anerzogene Verklemmtheit die Ursache. Als sie schließlich fast soweit war (so wollte noch das Licht gelöscht haben, was er verweigerte), hatte das Warten und Abwehren den Mann derart entnervt, daß er nicht mehr konnte. Cortázar spielte wieder geschickt mit den Perspektiven, wobei die ›wir‹-Perspektive nicht von einem der beiden gesprochen wurde, sondern wirklich dem Dritten, welches sie bis auf die Sexualität waren. Die Erzählung war realistisch gehalten, es gab kein unerhörtes Ereignis, sie hatte wahrscheinlich einen autobiographischen Hintergrund und die Frau, der sie dediziert worden war, war das Vorbild für die Protagonistin.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Reunión con un círculo rojo

Die Erzählung war »Borges« gewidmet, gemeint war aber nicht unser Borges, sondern der venezolanische Maler Jacobo. Der Erzähler sprach den Protagonisten – eben jenen Jacobo – an, wie es bereits in zwei anderen Erzählungen mit den Protagonisten dort geschehen, und hier erinnerte es wegen der Atmosphäre (der eines verregneten Abends in einem leeren typisch westdeutschen fensterlosen jugoslawischen Restaurant in Wiesbaden) noch mehr an Lars von Triers Technik in Europa. Der Protagonist dachte, eine Frau – der einzige Gast neben ihm – vor diesem jugoslawischen Restaurant retten zu müssen. Am Ende war die Frau der Geist eines Opfers des Restaurants, der gekommen war, Jacobo zu retten, und nun froh war, bald als Geist nicht mehr alleine zu sein. – Hier war Cortázar wieder alles gelungen, das war sein Thema.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Donnerstag, 21. Februar 2019

La barca o nueva visita a Venecia

Eine nach eigenen Angaben verworfene Erzählung aus dem Jahr 1954, die er dann Jahrzehnte später mit dem Kommentar einer Nebenfigur publizierte. Die Erzählung war wirklich nicht so gelungen, weil die Figur der Valentina, aus deren Perspektive vornehmlich erzählt wurde, nur aus Klischees bestand. Die Kommentare machten es auch nicht viel besser.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Sonntag, 17. Februar 2019

Mit Blüten scheint, dem Zeichen froher Tage, das große Tal, die Erde sich zu füllen (Hölderlin)

Apocalipsis de Solentiname

Der Protagonist und Ich-Erzähler war Cortázar, der Schriftsteller Cortázar, der Mittelamerika bereist hatte und darauf angesprochen worden war, daß Antonioni in Blow-up seine Erzählung arg modifiziert hatte. Als er sich zurück in Paris die gemachten Dias ansah, sah er statt der fragilen Idyllen, die er photographiert hatte, Szenen der Unterdrückung und Folter, eben das, was in den siebziger Jahren unter den Diktaturen in Lateinamerika herrschte. Die Erzählung war zwar sehr schlecht ausgeführt, die Visionen (?) aber während der Diashow Zuhause erinnerten an die polyperspektivische in extremer Zeitlupe gezeigte Explosion in Antonionis Zabriski Point.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Samstag, 9. Februar 2019

Fenster #253

En nombre de Boby

Eine Erzählung aus der Perspektive der Tante des titelgebenden Jungen: der wurde in nächtlichen Alpträumen von seiner Mutter, die als Seele von Mensch geschildert wurde, gequält. Man sagte ihm, das seien Alpträume, aber er insistierte. Die Tante nun befürchtete Schlimmes im Kontext mit einem langen Messer. Am Ende hatte die Tante eine kurze Vision des letzten Alptraums, es passierte aber nichts, Spannung wurde aufgebaut, um ein Mysterium zu hinterlassen (vielleicht hatte die Mutter verschwiegene Alpträume, in denen sie ihrem Kind böse Dinge antat).

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Usted se tendió a tu lado

Über den Ablösungsprozeß einer Mutter von ihrem Sohn: sie ging für ihn in die Apotheke, um Kondome zu kaufen, anschließend mußte er selber klarkommen. Der Kunstgriff war hier, daß der Erzähler übergangslos den Jungen duzte und die Mutter siezte. Die letzte Szene war etwas platt: die Freundin des Jungen setzte sich am Strand zwischen die beiden.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Push button / Wait for signal

Fenster #252

Blick von der obersten Etage







Freitag, 8. Februar 2019

Fenster #251 (EVERYTHING IS GOING TO BE ALRIGHT)

St Paul’s

Segunda vez

Eine von Kafka und aus den Erfahrungen des Lebens in einer Bürokratie inspirierte Erzählung aus zwei Perspektiven, nämlich aus der der Personen mit Macht und aus der der Personen ohne Macht, wobei deutlich wurde, daß die Personen mit Macht keine Beamten waren, sondern eher einer staatlich implantierten Gangsterbande angehörten. Um diesen Eindruck zu vermitteln, war die zweite Perspektive notwendig gewesen, ansonsten, bei einer regelrechten Behörde hätte das rätselhafte Verschwinden von Carlos als ungeheuerliches Ereignis gereicht.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Fenster #250 (NO ALCOHOL BEYOND THIS POINT)

Brighton Palace Pier (blue hour)

Brighton Palace Pier (Ivor (Career ~ Love ~ Happiness ~ Luck))

Brighton Palace Pier (out of season)

Fenster #249

Fenster #248 (Blackfriars)


Donnerstag, 7. Februar 2019

Baker Street 221B


Es ist bezeichnend, daß sich das heroische Ideal ›Ingenieur‹ über mehrere Kriege und Weltkriege halten konnte (und Max Frischs Homo Faber war nicht wirklich eine Destruktion dieses Ideals, sondern eine – wie bezeichnete Hans Köberlin das noch, was er mit seinen Bildchen machte –: artifizielle Dramatisierung). Unsere Kritik des Ingenieurs beschwört natürlich nicht als positives Gegenbild die Idyllen und Pastoralen der Naturburschen, und wir erfreuen uns ja auch an vielem, was die Ingenieure uns beschert (etwa die Battersea Power Station und die Brooklyn Bridge und La Defense …), bloß wir selber leben lieber als Bricoleure, was eine bloße Formentscheidung a posteriori ist (man möchte Zeit und Muße und Mittel haben, einmal diese Thematik – bloße Formentscheidung a posteriori – bei Arno Schmidt zu untersuchen …). Eine Passage aus dem ersten Bericht des Dr. Watson über seine Abenteuer mit Sherlock Holmes, A Study in Scarlet, könnte man als das Credo derer, die ingenieursmäßig denken und handeln, bezeichnen: »I consider that a man’s brain originally is like a little empty attic, and you have to stock it with such furniture as you choose. A fool takes in all the lumber of every sort that he comes across, so that the knowledge which might be useful to him gets crowded out, or at best is jumbled up with a lot of other things, so that he has a difficulty in lay his hands upon it. Now the skillful workman is very careful indeed as to what he takes into his brain- attic. He will have nothing but the tools which may help him in doing his work, but of these he has a large assortment, and all in the most perfect order. It is a mistake to think that that little room has elastic walls and can distend to any extent. Depend upon it there comes a time when for every addition of knowledge you forget something that you knew before. It is of the highest importance, therefore, not to have useless facts elbowing out the useful ones.« (Arthur Conan Doyle, A Study in Scarlet; in: The Complete Sherlock Holmes, with a Preface by Christopher Morley, New York 1938, S. 10). Daß Holmes das Gegenteil von uns und unseren Protagonisten (und auch von dem Marcel der Recherche und auch von FBI Special Agent Dale Cooper) und eine Personifizierung des Ingenieurs darstellt, liegt vor allem an seiner Hybris, nämlich daß er glaubt zu wissen, was sich einmal als nützlich erweisen könnte und was nicht. Dies entlarvt seine Rationalität als Ideologie, denn potentiell kann sich alles einmal als nützlich erweisen, auch die Kenntnis um die Lehre der Astrophysiker, um die es Dr. Watson in der zitierten Szene gegangen war. So wie Holmes nach seinem Bekenntnis arbeitete, mußte er all das übersehen, mit dem man nicht rechnen konnte, weil er die entsprechenden tools ausgemustert hatte.

(¡Hans Koberlin vive!, III [Ankunft]).

Dienstag, 5. Februar 2019

Fenster #243 (Take care (after drinking alcohol))

Fenster #242 (Alarm & Way out)

Vientos Alisios

Wie bei Verano war dies eine Illustration der These oder des Klischees, daß der Alltag auf Dauer die Liebe töte, diesmal allerdings in einer Wahlverwandtschaften-Konstellation. Ein Paar (wieder kinderlos) reiste getrennt in ein Hotel und verbrachte den Urlaub mit jeweils einem anderen Partner. Zwischendurch traf man sich, um zu berichten, wobei weniger Eifersucht als Neid zutage trat. Am Ende vermischten sich die Paare und Realität und Imaginationen und ein gemeinsamer Selbstmord wurden angedeutet. Das waren Dinge, die einen nicht mehr interessierten, weil man darüber hinweg ist.

(Julio Cortázar, Cuentos Completos, Alguien que anda por ahí (1977)).

Fenster #241 (I want you (She’s so heavy))

der Zebrastreifen

Samstag, 2. Februar 2019