Freitag, 1. Juli 2016

Dienstag, der 1. Juli 2014


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Nach dem Erwachen am Dienstag, dem 1. Juli 2014, notierte Hans Köberlin folgenden Traum in seinem Arbeitsjournal: »Ich hatte das Buch eines Mannes aus den Beneluxländern verlegt, die obskuren Ansichten irgendeines seltsamen Mystikers, und wollte nun zusammen mit der Frau zu dem Autor fliegen, um ihm sein frisch erschienenes Werk zu übergeben. Die Bücher und die Übersetzungen (?) waren in Kartons, wir flogen mit einer osmanischen Fluggesellschaft und ich fragte mich, ob ich ihr vertrauen konnte. Auf dem Flughafen im Osten der Hauptstadt herrschte dichter Nebel, wir saßen in der Maschine und ich schaute aus dem Fenster und sah bloß das Naßgraue unter mir mit einigen vereinzelten gelben Lichtern. Dann waren wir in Land des Autors gelandet, es war Nacht. Ich stieg schnell aus, um mich um die Kartons mit den Büchern zu kümmern. Ich fand sie draußen auf einem Berg anderer Kisten, ein Gabelstapler fuhr bei seinen Hin- und Herfahrten daran vorbei und schubste sie dabei jedesmal an. Ich beschimpfte den Fahrer wüst und schaffte die Kartons aus dem Weg. Dann kamen zwei lokale Flughafenarbeiter und fragten, was in den Kisten sei. Bücher, sagte ich und nannte den Namen des Autors. Sie kannten ihn, was mich sehr verwunderte. Ich erfuhr aber, daß er sich in seiner Heimat einer ungeheuren Popularität erfreute. Ob sie eines der Bücher sehen könnten, fragten sie. Klar, sagte ich und nahm eines aus dem Karton und aus der Kunststoffhülle. Auf dem Umschlag war der vergrößerte Druck eines Heiligen zu sehen, silbern auf dunkelblauem Leinen, fast wie eine Ikone sah das aus. Die beiden Flughafenarbeiter lachten, denn sie erkannten in dem Gesicht des Heiligen das des Autors. Ich hatte den mittelalterlich aussehenden Druck von dem Autor bekommen und hatte nichts von dieser Manipulation gewußt, da ich ihn nie persönlich getroffen hatte. Er war anscheinend ein Schelm und ein Scharlatan, nicht verwunderlich in dem Lande Tyll Ulenspiegels. Wir blätterten in dem Buch, es gab noch zwei Abbildungen, auch alte Bilder, die gut geraten waren. Dann packte ich das Exemplar wieder zurück und die Arbeiter schickten sich an, die Übersetzungen aus dem improvisierten und mittlerweile beschädigten Karton in mehrere ordentliche Kartons zu verpacken. Hier nahm nun alles seinen geregelten Gang und mir fiel mit einem schlechten Gewissen ein, daß ich beim Aussteigen aus dem Flugzeug die Frau mit dem Gepäck und den Mänteln alleingelassen hatte.* Ich begab mich schnell zu ihr in unsere Wohnung, es war ein ziemlich neuer Bungalow, noch ohne Möbel und mit einem rauhen olivgrünen Teppichboden. Ich legte mich zu ihr, sie hatte die Wartezeit mit Fernsehen verbracht. Ich sah an der Vielzahl der Sender, daß wir einen digitalen Fernsehanschluß hatten. Dann ging es noch darum, ein Verbrechen aufzuklären. Der Chef der Ermittler war Peter Sloterdijk (der aber auch ein wenig wie Jeff Bridges war), er hatte noch einige Gehilfen. Mit einer List schaffte er es schließlich nach einigem hin und her, die Verbrecher aus der Reserve zu locken. Dann nahm die Geschichte eine überraschende Wende und ich wurde wach.«


* Was Hans – ›Frauen zuerst!‹ – Köberlin im Wachen wohl hoffentlich nicht passiert wäre!

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XXI [Phase 9 – oder: Die letzte Phase], 10. Juni bis 11. Juli 2014).