Montag, 18. April 2016

Freitag, der 18. April 2014


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Am Freitag, dem 18. April 2014, erinnerte Hans Köberlin, daß er geträumt hatte, er habe sich vorgenommen, aus Pynchons Against the Day ein Drehbuch zu machen, wobei er sich auf das Schicksal von Webb Traverse und das von seiner Familie konzentrieren wollte.* Der Film würde so um die drei Stunden dauern und die erste Szene sollte zeigen, wie Webb mit seinem Kumpel eine Eisenbahnbrücke in die Luft sprengte. Als Titel träumte sich Hans Köberlin Rache für Webb Traverse zurecht, in unverkennbarer Anspielung an Fritz Langs Rache für Jesse James, der allerdings im Original nicht so hieß, sondern The Return of Frank James (1940). Das Drehbuch wollte Hans Köberlin (das alles noch im Traum!) David Lynch oder den Gebrüdern Coen anbieten, der Film würde ein Erfolg, an dem Hans Köberlin prozentual beteiligt wäre und er hätte endlich ausgesorgt. Dann war Hans Köberlin wieder einmal in dem Ort seiner Geburt und mußte von dort zum Broterwerb zu einer Arbeitsstätte fahren. Die Bahn hatte auf noch ältere Waggons als üblich zurückgegriffen, nämlich auf Salonwagen des fin de siècle, mit Liegen und Jugendstillampen. Hans Köberlin fand in einem der Wagen an einer Bar eine Steckdose für sein kleines Laptop. In dem Ort seiner Geburt – es herrschte Hochsommer mit strahlendem Sonnenschein – war, weil da keiner mehr wohnte, sein Schlafzimmer offen zugänglich, was ihn während seiner Abwesenheit beunruhigte. Dann lief ihm eine kleine Katze zu, sie hatte die Größe einer Maus und versteckte sich auf dem Schreibtisch unter der Tastatur seines ehemaligen Computers, den er vor dem Antritt seines Exils dem Verleger geschenkt hatte. Hans Köberlin saß da und begann mit einem Füllfederhalter das Kreuzworträtsel aus der Zeit, das auf den blauen Karton der Rückseite des Magazins gedruckt war, zu lösen, was aber gefährlich war, denn es war früh am Morgen und er mußte doch gleich zum Bahnhof, um zu der Brotarbeit zu fahren und durfte keine Zeit vertändeln. Die kleine Katze, weiß mit rotbraunen Flecken, kam auf ihn zu und schaute ihn mit dem Ernst der Katzen an. Er durfte ihr die Milch nicht pur geben, sondern mußte sie mit Wasser verdünnen, das wußte er noch von früher, als seine Mutter zugelaufene Katzen in der Scheune durchgefüttert hatte.


* Im Roman fickte Webbs Tochter wissentlich mit seinen Mördern herum – ein sich durch Pynchons Werk, von V bis Bleeding Edge, ziehendes Motiv: seine Protagonistinnen hatten einen fatalen Hang zu den größten Arschlöchern.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XV [Der dritte Besuch der Frau und andere Besuche], 11. bis 27. April 2014).