Mittwoch, 17. Februar 2016

Montag, der 17. Februar 2014


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Im leeren Wintergarten griff er, obwohl er sich gestern über das Gelesene echauffiert hatte, zu Schultzʼ Dokumente der Gnosis und las in Puechs Essay weiter. Es ging diesmal über das Verhältnis der Gnostiker zu dem Phänomen ›Zeit‹. Und er las, was er bereits von seiner Borgeslektüre her kannte: sie erachteten die Zeit – »ihrem Wesen nach Unvollkommenheit« – als Täuschung und entsetzten sich zugleich vor ihr. Und Hans Köberlin erinnerte sich an einen Schlager aus der Zeit seiner präpubertären Kindheit …* Für ihn war die Zeit sein Altern und der dies mitbringende Verfall, den man allerdings durch regelmäßiges Vögeln, Dauerlaufen Fahrradfahren und Schwimmen hinauszögern konnte; dann war seine Zeit hier terminiert, wofür aber die Zeit nichts konnte, sondern bloß er selber. Hans Köberlin versuchte, hier intensiv in der Zeit zu sein, sie zu verdichten, ihren Ablauf zu verlangsamen … schaute man nicht hin, war ratzfatz eine Stunde vorbei, aber es brachte auch nichts, der Uhr beim Gehen zuzuschauen … Beim Vögeln und Onanieren die Ejakulation hinauszögern … Und schließlich war die Zeit ihm das Medium der Musik. – Und wie die Gnostiker den Leib und die Zeit verdammten, so verdammten sie auch die Welt und das irdische Leben, mit der Pointe, daß für sie der Schöpfer nicht auch der Erlöser sein konnte. Das Ganze war, so kam es Hans Köberlin vor, eine gigantische, kosmische Externalisierung des eigenen Unvermögens. »Die Welt ist gut, weil es Frauen gibt, egal wie wenig ich in ihr klarkomme.« – Hans Köberlin las den Essay zu Ende – es ging um das Fremdsein in der Welt, und die Gnostiker wurden von den Stoikern abgegrenzt und mit den Existentialisten verglichen –, las den Essay also zu Ende, um morgen auf S. 55 – Das Geschlechtliche in gnostischer Lehre und Übung, ein Essay von dem Herausgeber Schultz selber – weiterlesen zu können, wobei er endlich auf die monströsen Obsessionen, von denen Bataille gesprochen hatte, zu stoßen hoffte, und er wendete sich anschließend wieder dem bleichen König zu, wo er die dreißig Seiten Bericht über die Ankunft des Autors zuende las, ihm dabei gönnend, wegen einer Verwechslung von Ms F. Chahla Neti-Neti, die geglaubt, diesen Dienst einem für die Behörde wichtigen Mitarbeiter zu leisten, mit zwölfmal rein und raus, wie der Autor zu erwähnen nicht vergaß, einen geblasen zu bekommen, nachdem sie zuvor während der Odyssee durch die Flure pausenlos irgendetwas Unpersönliches, wie er sich mokierte, auf ihn eingeredet hatte.


* … von Barry Ryan aus dem Jahre 1971 …
Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Tanz und Tänzer,
die Zeit, die trennt auch jeden Sänger und sei Lied,
denn die Zeit ist das, was bald geschieht.
Die Zeit, sie ist nicht nur für immer Traum und Träumer,
die Zeit, die trennt auch jeden Dichter und sein Wort
denn die Zeit läuft vor sich selber fort.
Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt,
denn er wird niemals alt,
die Hölle wird nicht kalt.
Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt,
denn heute ist schon beinah morgen.
Die Zeit, die trennt nicht nur für immer Sohn und Vater.
Die Zeit, die trennt auch eines Tages Dich und mich,
denn die Zeit zieht den längsten Strich.
Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt … et cetera.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XII [Phase 5 – oder: Un gringo en Calpe], 10. Februar bis 6. März 2014).