Donnerstag, 21. Januar 2016

Dienstag, der 21. Januar 2014


[112 / 212]
Nach dem Frühstück las Hans Köberlin im leeren Wintergarten im Ulysses weiter. Man saß in der Kutscherkneipe und wurde von dem Matrosen angesprochen. In diesem Kapitel war die Chance, auf schönen Schweinkram zu stoßen, gering. Bei Luhmann las er anschließend: »Man kann angesichts der Komplexität der Welt nicht alle Bedingungen der Möglichkeit eines Sachverhalts in den Begriff dieses Sachverhalts aufnehmen; denn damit würde der Begriff jede Kontur und jede theoriebautechnische Verwendbarkeit verlieren.« Und: »Jede andere Auffassung (als die Zwecklosigkeit der Kommunikation) müßte begründen, weshalb das System nach dem Erreichen seiner Zwecke fortdauert; oder man müßte, nicht ganz neu, sagen: Der Tod sei der Zweck des Lebens.«* Und: »Und selbst bei aktuellen Themen – selbst wenn man endlich einen Parkplatz gefunden hat und nach langen Fußmärschen das Café erreicht hat, wo es in Rom den besten Kaffee geben soll und dann die paar Tropfen trinkt – wo ist da Konsens oder Dissens, solange man den Spaß nicht durch Kommunikation verdirbt? (…) Es kann aber, und dies scheint mir für fernöstliche Kulturen zu gelten, auch umgekehrt sensibilisieren: Man vermeidet Kommunikation mit Ablehnungswahrscheinlichkeiten, man versucht Wünsche zu erfüllen, bevor sie geäußert wurden, und signalisiert eben dadurch Schranken; und man wirkt an der Kommunikation mit ohne zu widersprechen und ohne die Kommunikation dadurch zu stören, daß man Annahme oder Ablehnung zurückmeldet.« … wie Breton einmal gesagt hatte: hier bewege sich nicht der Mensch sondern die Erde. Und Jean Ferry, der gefragt hatte, ob es einem nicht auch schon einmal passiert sei, daß man den Fuß im Dunkeln auf die oberste Treppenstufe gesetzt habe, auf jene, die gar nicht vorhanden, und in diesem Land passiere einem das dauernd, der Stoff, aus dem jene nicht vorhandene Treppenstufe bestehe, sei hier der Stoff schlechthin.


* Novalisʼ 14. Blüthenstaubfragment fiel Hans Köberlin ein: »Leben ist der Anfang des Todes. Das Leben ist um des Todes willen.« (in: Novalis, Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs, hrsg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel, Stuttgart 1960ff., Bd. 2, S. 417).

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis 30. Januar 2014).