Samstag, 2. Januar 2016

»Zeit vergeuden hat etwas Ästhetisches.«

Einer rigorosen Ätiologie unserer Skrupel muß eine ironische Diagnose unserer Zugeständnisse an die Normalität folgen.

(Fernando Pessoa, Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares, hrsg. von Richard Zenith, Zürich 2003, S. 307).

Donnerstag, der 2. Januar 2014


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Nachdem er diese Eintragung vermischten Inhalts in seinem Arbeitsjournal gemacht, begann Hans Köberlin wie beabsichtigt mit der Lektüre des 13. Kapitels des Ulysses. Hier wurde wohl der Stil der Trivialromane für Mädchen parodiert, also quasi das Gegenstück zu dem patriotischen Gewäsch der Männer im vorherigen Kapitel, das ja auch Queneau so wunderbar in On est toujours trop bon avec les femmes parodiert hatte. Selbstreferenz und Fremdreferenz gingen eindeutig auseinander, die Erzählinstanz referierte Gerty MacDowells Perspektive … wenn Hans Köberlin sich recht erinnerte, dann mußte aber irgendwann ein Umschlag in die Perspektive Blooms erfolgen, denn Bloom äußerte doch seine Enttäuschung darüber, daran erinnerte er sich gewiß, daß Gerty hinkte … Mal sehen. Hans Köberlin las im Merkur einen interessanten Aufsatz über Schüchternheit,* die ja eines seiner basalen Probleme war (momentan weniger in Bezug auf Frauen als in Bezug auf den sogenannten Arbeitsmarkt, die Kampfzone, deren Ausweitung er persönlich nie so erlebt hatte Houellebecq). »Wenn ich nicht immer so schüchtern gewesen wäre, ich hätte, glaube ich. alles erreichen können, was ich gewollt habe.« Aber das war natürlich übertrieben, denn erstens war er nicht in allen Fällen schüchtern gewesen und zweitens hatte er sehr spät erst (außer was das Sexuelle betraf, natürlich!) mit dem Wollen angefangen.


* Urs Stäheli, Die Angst vor der Gemeinschaft. Figuren des Schüchternen; in: Merkur Nr. 773 / 774: Wir? Formen der Gemeinschaft in der liberalen Gesellschaft, Oktober / November 2013, S. 928ff.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel IX [Der zweite Besuch der Frau], 20. Dezember 2013 bis 6. Januar 2014).