Mittwoch, 10. Februar 2016

Montag, der 10. Februar 2014


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… eine Zäsur also stellte auch der – außerdiegetische – Umstand dar, daß wir ab diesem Stand der Niederschrift unserer Langzeitdokumentation nicht mehr wie bisher Hans Köberlin im Mediterranen – das folgende metaphorisch natürlich bloß gesprochen (Hans Köberlin hat uns in unserer Funktion – und da geben wir unser Wort drauf! – niemals bewußt wahrgenommen!) – unmittelbar über die Schulter blicken können (auch natürlich deshalb bloß metaphorisch gesprochen, weil: wie sollte man selber schreiben, wenn man gleichzeitig dem zu Beschreibenden, der seinerseits selber schrieb, über die Schulter sah?!) und dabei stante pede festhalten, was wir da, auf der anderen Seite der Schulter, sehen, sondern daß wir fern von Hans Köberlin im unwirtlichen Norden und allein und auf uns gestellt und allein gestützt auf Dokumente und Bilder und sonstige mittelbare Informationen, als da wären aufgeklaubte Muscheln und Steine, Tickets, Broschüren aus Touristenbüros, Kassenbons, Visitenkarten, Zuckerpäckchen aus Cafés und Bars …, unsere Langzeitdokumentation abfassen müssen. Unsere Zäsur ist also ein Perspektivwechsel, und zwar ein fataler Perspektivwechsel … Thomas Mann hatte im Zauberberg geschrieben, »das (die Tatsache daß eine Geschichte vergangen sei) wäre kein Nachteil für eine Geschichte, sondern eher ein Vorteil; denn Geschichten müssen vergangen sein, und je vergangener, könnte man sagen, desto besser für sie in ihrer Eigenschaft als Geschichten und für den Erzähler, den raunenden Beschwörer des Imperfekts.«* Aber Hans Köberlins Geschichte war da noch nicht vergangen und ist es auch jetzt noch nicht, wo wir hier im ungemütlichen Norden sitzen und unseren Imperfekt raunen. Noch drehte sich die Welt, wenn auch nicht um ihn, um Hans Köberlin …


* Thomas Mann, Der Zauberberg, Frankfurt am Main 1986, S. 9. Eine weitere wichtige Anmerkung, das Erzählen betreffend, ließ Mann seinen Erzähler Dr. phil. Serenus Zeitblom im Doktor Faustus machen: »Ich weiß nicht, warum diese doppelte Zeitrechnung (die der Zeit des Erzählens und die erzählte Zeit) meine Aufmerksamkeit fesselt, und weshalb es mich drängt, auf sie hinzuweisen: die persönliche und die sachliche, die Zeit, in der der Erzähler sich fortbewegt, und die, in welcher das Erzählte sich abspielt. Es ist dies eine ganz eigentümliche Verschränkung der Zeitläufe, dazu bestimmt übrigens, sich noch mit einem Dritten zu verbinden: nämlich der Zeit, die eines Tages der Leser sich zur geneigten Rezeption des Mitgeteilten nehmen wird, so daß dieser es also mit einer dreifachen Zeitordnung zu tun hat: seiner eigenen, derjenigen des Chronisten und der historischen.« (Thomas Mann, Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde, Frankfurt am Main 1986, S. 335). Unsere Leserinnen und Leser werden den Vorteil haben, sich nicht mit der historischen Zeit auseinandersetzen zu müssen, zumindest nicht mit der Zeit der sogenannten großen Historie.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel XII [Phase 5 – oder: Un gringo en Calpe], 10. Februar bis 6. März 2014).

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