Mittwoch, 23. Dezember 2015

Montag, der 23. Dezember 2013


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Unser Paar frühstückte wie gehabt im leeren Wintergarten mit dem improvisierten Adventskranz auf dem Tisch und Musik aus dem Radio von dem hiesigen Klassiksender. Anschließend legte man sich nochmals hin (…) und spazierte später am frühen Nachmittag zur ›Coral Beach Bar‹, die die Frau ja noch nicht kannte. Es war ein idealer Tag für diese Lokalität: die Sonne schien und es war windstill. Die Frau war wie Hans Köberlin beeindruckt von der Möglichkeit, quasi im Meer sitzend ein Glas Rotwein zu trinken. Unterwegs hatte man noch den Busenfreund angerufen, der an diesem Tag seinen 49. Geburtstag feierte.
»Ich möchte dir etwas vorlesen, aus dem Journal der Goncourts …« Und Hans Köberlin holte die am Morgen gescannte und ausgedruckte Passage aus der Gesäßtasche seiner Hose, schüttelte sie, bis sich das Blatt auseinanderfaltete, und las vor …
Wenn es in unserem Leben weder Glück noch eine glückliche Fügung für uns gibt, so haben wir doch diese große Sache, diese vielleicht einmalige Sache seit die Welt besteht: diese körperliche und moralische Gesellschaft in all unseren Stunden, diese unsere Gemeinschaft von uns beiden, an die wir gewöhnt sind wie an die Gesundheit. Ein seltenes und kostbares Glück: zumindest könnte man dies glauben, bei dem Preis, den das Leben uns dafür bezahlen läßt, als würden uns alle darum beneiden.*
Hans Köberlin merkte, wie ihm, weil ihm die Tiefe der Freundschaft bewußt wurde, das Wasser in die Augen stieg … »Und dabei gibt es in unserem Leben Glück: du hast deine Familie und ich die Liebe der Frau …«


* Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013, Bd. 2, S. 574. Jean Pauls Schoppe äußerte im Titan eine schöne Sequenz: »Daran erkenn’ ich eben den Freund, daß er mich oder sich nicht unterhalten, sondern bloß dasitzen will …« (Jean Paul, Titan; in: Sämtliche Werke, hrsg. von Norbert Miller und Gustav Lohmann, München 1959ff., 1. Abt. Bd. 3, S. 515).

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel IX [Der zweite Besuch der Frau], 20. Dezember 2013 bis 6. Januar 2014).