Donnerstag, 10. Dezember 2015

Dienstag, der 10. Dezember 2013


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Und Edmond heute vor 124 Jahren …
Dienstag, 10. Dezember – Amüsant, die Ahnungslosigkeit der Journalisten. Der Erfolg des Buches Uranie von dem Astronomen Flammarion besteht in der Phantasie einer plötzlichen Versetzung in die Sterne, in dem Augenblick, da das helle Licht eines irdischen Ereignisses sie erreicht. Nun, diese Phantasie ist ganz und gar die von Carlyle, von dem ich, wie ich mich entsinne, einen in der Revue britannique übersetzten Artikel über Zeit und Raum gelesen habe, wo einem, auf den einen Planeten versetzt, das Schauspiel der Kreuzigung von Jesus Christus geboten wurde, oder auf einen anderen, das Schauspiel des Todes von Gustav Adolf … Aber wie sollte auch einer von ihnen Zeit zum Lesen haben!
Ich bin sehr versucht, ein Büchlein mit folgendem Titel zu schreiben: »Die Schwindeleien dieser Zeit«, ausgehend von der elektrischen Klingel, die nie funktioniert, bis zum allgemeinen Wahlrecht, das heute so gezinkt ist wie ein Kartenspiel vom Baron de Wormspire.*
Dann ging also jene Episode in Kurd Laßwitz’ Roman Auf zwei Planeten, in welcher die Marsianer während einer Gerichtsverhandlung die zur Verhandlung stehenden vergangenen Ereignisse rekonstruierten, indem sie die Reste von deren Lichtemission projizierten, wahrscheinlich auf die gleiche Quelle zurück …?**


* Edmond & Jules de Goncourt, Journal. Erinnerungen aus dem literarischen Leben, Leipzig 2013, Bd. 9, S. 259. Das war, wenn wir uns recht entsinnen, das erste Mal, daß wir die gleichen Wochentage haben …
** Auf ähnliche Theorien war man bereits ein paar Jahre zuvor gekommen: »24 avril [1865]. – Chez Magny. On cause de l’espace et du temps, et j’entends la voix de Berthelot, un grand et brillant imaginateur d’hypothèses, jeter ces paroles dans la conversation générale: ›Tout corps, tout mouvement exerçant une action chi-mique sur les corps organiques avec lesquels il s’est trouvé, une seconde, en contact, tout – depuis que le monde est – existe et sommeille, conservé, photographié en milliards de clichés naturels: et peut-être est-ce là, la seule marque de notre passage dans cette éternité-ci … Qui sait si, un jour, la science, avec ses progrès, ne retrouvera pas le portrait d’Alexandre sur un rocher, où se sera posée un moment son ombre?‹« (vgl. ebd., Bd. 4, S. 210f.). Balzac brachte in Le Cousin Pons (glauben wir) die Wahrsagerei als Phänomen in einen Zusammenhang mit der Photographie. Bei letzterer ging er in einer seltsamen Variation des Platonismus davon aus, daß alle Dinge unaufhörlich ein Bild in die Luft werfen würden, daß alle existierenden Gegenstände auf diese Weise als unbegreifliches Gespenst sich wiederholten und daß Daguerres mit Chemikalien behandelte Platten diese Gespenster bannten. Das hieße, die photographierten Bilder existierten für ihn vor ihrer Entstehung, wobei sich natürlich die Frage nach der Perspektive stellte: existieren von einem Ding so viele Bilder, wie es Blickwinkel gab?

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).