Montag, 12. Oktober 2015

»One need not fear about the future of music.«

There is no such thing as an empty space or an empty time. There is always something to see, something to hear. In fact, try as we may to make a silence, we cannot. For certain engineering purposes, it is desirable to have as silent a situation as possible. Such a room is called an anechoic chamber, its six walls made of special material, a room without echoes. I entered one at Harvard University several years ago and heard two sounds, one high and one low. When I described them to the engineer in charge, he informed me that the high one was my nervous system in operation, the low one my blood in circulation. Until I die there will be sounds. And they will continue following my death.

(John Cage, Experimental Music; in: Silence. Lectures and writings by John Cage, Hanover / New England 1961, S. 8).

Samstag, der 12. Oktober 2013


[11 / 313]
Die Omnibusfahrt dauerte mehr als drei Stunden, da der Omnibus nicht über die Autobahn, sondern über die Nationalstraße an der Küste entlang fuhr und in jedem Ort mindestens einmal Station machte. Hans Köberlin konnte nicht eindösen und war zu unkonzentriert, um im Lord Jim weiterzulesen. So sammelte er Eindrücke von den Mitreisenden (schöne Frauen waren nicht dabei) und von der Landschaft und den Orten, deren Boden, so kam es ihm in den Sinn, er wohl nie betreten würde, eine Annahme, mit der er bei drei oder vier Orten falsch liegen sollte.
Nach dem gestrigen traurigen Abschied auf dem nach einem populären Autoren benannten Flughafen und nach der Ausnahmesituation, die die daran anschließende Reise und Übernachtung in der Hauptstadt der autonomen Region gewesen war, erreichte Hans Köberlin, nachdem er unterwegs noch ein Brot erstanden, eher desolat sein Domizil über jene Wege, die er mit der gestern verabschiedeten Frau zu gehen gepflegt.* Nun wurde es also ernst für unseren Protagonisten, oder zumindest: etwas ernster. Es war für Hans Köberlin quasi ein zweiter, diesmal ohne durch die geliebte Frau gebremster, Aufprall.


* Vgl. Hugh Hoppers Memories (1967; vor allem interpretiert von Material (One Down, 1982) mit der blutjungen Whitney Housten) …
We used to walk these streets together …
und folgende Zeilen aus Borges’ Gedicht Trofeo
y en gradual soledad
al volver por la calle cuyos rostros aún te conocen,
se oscureció mi dicha, pensando
que de tan noble acopio de memorias
perdurarían escasamente una o dos.
Hans Köberlin hatte zuerst verstanden, die Straße hätte Gesichter, was er sehr poetisch fand (ein Gesicht wäre noch besser), dann aber kam er darauf, daß Borges wohl die Gesichter der Bewohner der Straße gemeint hatte.
… und bei Peter Handke …
den Weg des, der anderen zu wiederholen, das hätte vorzeiten einmal zum ›Liebesdienst‹ gehört.
(Der Große Fall, Berlin 2011, S. 257f.).
… und natürlich Walt Whitmans berühmtes Poem …
Once I pass’d through a populous city, imprinting my brain, for future use, with its shows, architecture, customs, and traditions;
Yet now, of all that city, I remember only a woman I casually met there, who detain’d me for love of me;
Day by day and night by night we were together,—All else has long been forgotten by me;
I remember, I say, only that woman who passionately clung to me;
Again we wander—we love—we separate again;
Again she holds me by the hand—I must not go!
I see her close beside me, with silent lips, sad and tremulous.
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel IV [Transfer complete], 10. bis 12. Oktober 2013).