Freitag, 27. November 2015

Mittwoch, der 27. November 2013


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Hans Köberlin hörte während seines Dauerlaufs tatsächlich John Cages Indeterminacy, er schaffte die ersten beiden Teile und zehn Minuten des dritten Teils, das bedeutete, daß er in den vergangenen eineinhalb Wochen des Dauerlaufens auf der großen Dauerlaufstrecke schneller geworden war. In einer dieser Geschichten erzählte Cage (während Hans Köberlin südlich hinter der Hauptstraße Treppenstufen hinunter zum Strand lief) von einem Freund aus der Stadt des Lichts, der seinen alten Ford (wohl so ein Kleinbus, ›Transit‹ oder wie die Dinger geheißen) mit Möbeln und Topfpflanzen zu einem mobilen Wohnzimmer gemacht hatte. Eines Tages dann sei er damit vor einer Hamburgerbude vorgefahren, habe einen roten Teppich ausgerollt, sei darüber in die Bude gegangen, habe einen Hamburger gegessen, habe anschließend den Teppich wieder eingerollt und sei weitergefahren. – Mit dem Hören von John Cages Geschichten, während des Dauerlaufens im Hinterland, vorbei an den beiden Discountern aus Hans Köberlins Herkunftsland, die zu boykottieren er sich entschlossen hatte, und vorbei an dem dazwischen liegenden nach Odysseus benannten Trailerpark und den beiden vereinzelten Hochhäusern im Hinterland, und über die Brücke über das ausgetrocknete Flußbett (wir vergessen immer, wie diese hier häufig vorkommenden ausgetrockneten Flußbetten genannt wurden) am Ende des Hinterlande und am Anfang des Ortes, und vorbei an den beiden Tankstellen und über die Straße, die wegen der sie flankierenden Allee als einzige Avenida des Ortes in Hans Köberlins Imagination die Bezeichnung Avenida verdient hatte und auf deren Zebrastreifen er wegen des hiesigen Fahrstils stets befürchtete, daß ihn hier einmal sein Schicksal ereilen könne …: mit John Cage im Ohr von einem dieser protzigen SUVs, wie man die dämlich nannte, überrollt …* – aber das mit der Avenida stimmte nicht ganz: es gab noch die ein oder andere Stelle, die sich ihre Berechtigung aus anderen (Re-)Imaginationen Hans Köberlins holen konnte – und weiter durch den Ort an die Promenade und dann am Meer entlang – mit dem Hören von John Cages Geschichten also sollte es seine besondere Bewandtnis haben, aber dazu später mehr.


* Hans Köberlin imaginierte sich während des Dauerlaufens überfahren, tot in dramatischer Positur auf den Zebrastreifen der Avenida, Mittelpunkt eines Kreises entsetzt neugieriger Schaulustiger, das SUV mit Warnblinklicht am Rand der Avenida, dahinter, ebenfalls blinkend das Auto der Rettung, und der Gerichtsmediziner oder der Rettungssanitäter nahm ihm, Hans Köberlin, den Ohrhörer aus dem Ohr und hörte, weil Hans Köberlins Taschentelephon immer noch funktionierte …: »I went to hear Krishnamurti speak. He was lecturing on how to hear a lecture. He said, ›You must pay full attention to what is being said and you can’t do that if you take notes.‹ The lady on my right was taking notes. The man on her right nudged her and said: ›Don’t you hear what he’s saying? You’re not supposed to take notes.‹ She then read what she had written and said: ›That’s right. I have it written down right here in my notes.‹« (John Cage, Indeterminacy; in: Silence. Lectures and writings by John Cage, Hanover / New England 1961, S. 269), und der Gerichtsmediziner oder der Rettungssanitäter schaute verständnislos auf, schüttelte mit dem Kopf und sagte, was Hans Köberlin hier zu sagen pflegte, wenn er sich einen Kaffee bestellte: ¡Un americano!«

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).

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