Donnerstag, 26. November 2015

Dienstag, der 26. November 2013


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Als er nach dem Dauerlauf vor dem hinteren Tor seines Hauses stand und es gerade aufschließen wollte, da hielt ein Auto, ein Kastenwagen, die Scheibe wurde heruntergekurbelt und man fragte Hans Köberlin etwas im hiesigen Idiom. Der bekundete sein Nichtverstehen, woraufhin mehrmals in den Kasten des Kastenwagens gedeutet wurde. Hans Köberlin schaute hinein, aber da lag bloß Gerümpel, und erst beim dritten oder vierten Deuten fiel ihm der Groschen: es waren Schrotthändler, die ihn gefragt, ob er Altmetall …
»¡Si señor, la chatarra!«
… abzugeben habe. – Nein: Altmetall hatte Hans Köberlin nicht abzugeben.
Als er das Kalenderblatt mit dem Still aus Werner Herzogs Fata Morgana von seinem Filmkalender abriß, da sah Hans Köberlin Benkt Ekerot mit Max von Sydow beim Schachspiel, jenes emblematisch gewordene Still aus Ingmar Bergmans Det sjunde Inseglet (1957). Anlaß war der Tod des Tod-Darstellers Benkt Ekerot im Jahre 1971 (da war Hans Köberlin elfeinhalb Jahre alt gewesen). Der Gott suchende oder nach ihm strebende heimkehrende Kreuzritter zog mit seinem agnostischen Knecht,* Gauklern und noch anderen Gestalten durch das mittelalterliche, von der Pest heimgesuchte Schweden, begleitet von dem personifizierten Tod, der mit dem Ritter um dessen Leben beziehungsweise um einen Aufschub des Endes für eine Sinnsuche Schach spielte. Hans Köberlin erkannte sich in dem Knecht wieder, der Gegenentwurf zu dem Ritter war allerdings der eine Gaukler mit seiner Frau und ihrem Kind, alle drei zuversichtlich und lebensbejahend.** Beeindruckend und anrührend war dieser Moment des Friedens, mit der frischen Milch und den Walderdbeeren, ein Moment der nicht dauern konnte und von der Disposition her wohl nur von der kleinen Familie reproduziert werden konnte (Hans Köberlin dachte an den Busenfreund und die seinen, obwohl da wegen moderner alltäglicher Nöte nicht diese Leichtigkeit herrschte). Die Menschen, die sonst noch vorgeführt wurden, teilten sich in solche, die Mitleid verdienten und solche, die nicht. Schrecklich zu sehen war, daß das Mädchen nicht vor dem Scheiterhaufen gerettet werden konnte.
»Ich hätte vielleicht das Düstere durch den Schmied, seine Frau und den dritten Gaukler – Zwischenstadien zwischen dem Kreuzritter und seinem Knecht auf der einen und der Familie auf der anderen Seite, nicht so aufgelockert.« Aber gelungen war die Ökonomie des Films: die ausführliche Erzählung des Gauklers von seiner Vision zu Beginn wurde am Ende dadurch legitimiert, daß seine visionäre Gabe ihnen das Leben rettete.


* Liebe sei ein Euphemismus für Lust, meinte der sinngemäß zu dem Schmied, dem die Frau davongelaufen war … nun: Lust ist eine zwar nicht hinreichende aber notwendige Bedingung zu der Möglichkeit von Liebe, würden wir sagen.
** »Ein Knabe in diesem Monat geboren ist offen und ehrlich, hat Recht und Billigkeit lieb, und möchte sie um alles in der Welt nicht beleidigen. Wenn er nicht Hunger stirbt wird er ein hohes Alter erreichen.« So Matthias Claudius in seinem Prognostikon auf das Jahr 1773, wie Hans Köberlin vor zwei Tagen in zwei Jahren auf dem Kalenderblatt seines Zitatenkalenders lesen sollte, nachdem er sich zuvor schlaflos neben der Frau in Thomas Manns Doktor Faustus mit dem schlimmen Ende Echos beschäftigt hatte.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel VIII [Phase III – oder: Konsolidierung], 19. November bis 19. Dezember 2013).

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