Donnerstag, 2. Juli 2015

Nochmals zu Harry Rowohlt und James Joyce

Am 16. Juni hieß es hier:

Heute ist Bloomsday, ein Feiertag, es gilt aber auch, zweier Verstorbener zu gedenken (es ist ja auch der Tag von Paddy Dignams Beisetzung): am 16. Juni 1955 starb in Triest James Joyces Bruder Stanislaus, seines Bruders Hüter …: eine seltsame Koinzidenz … und hätte Harry Rowohlt noch einen Tag gewartet, dann wäre der Bloomsday sein Todestag gewesen …

Nun, zu dem zweiten Verstorbenen:

Auch Harry Rowohlt hatte zu dem Thema Dichotomien etwas gesagt: »Immer wieder fragen mich Menschen, ob ich nicht mal Lust hätte, den Ulysses neu zu übersetzen. Das ist völlig undenkbar, denn man ist entweder Flann-O’Brien-Fan oder Joyce-Fan. Beides zugleich geht nicht. Man steht entweder auf Beatles oder Stones, man steht entweder auf Gina Lollobrigida oder auf Sophia Loren, man steht entweder auf Paris oder London. Beides hat in einem Menschenherzen keinen Platz. So ist das eben auch mit Flann O’Brien und Joyce. Das ist wie St. Pauli und HSV. Entweder oder.« (In Schlucken-zwei-Spechte. Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege, Berlin 2002, S. 146f.). – Nun, im Herzen von Hans Köberlin waren viele Kammern, er war sowohl Flann-O’Brien-Fan als auch Joyce-Fan, das ging beides bei ihm sehr gut. Was die beiden Combos anging, das hatten wir eben (…) geklärt, und nach allem, was er über Georg Seeßlen von den beiden Diven wußte (vgl. * und **), würde Hans Köberlin die Lollobrigida der Loren vorziehen, bei der Stadt der Liebe und der Hauptstadt der Angeln und der Sachsen würde er wieder nicht entscheiden wollen und die Frage, ob St. Pauli oder HSV ging ihm so ziemlich am Arsch vorbei.


* Man erinnere sich: Moses (The Ten Commandments, 1956) & Ben Hur (1959) Charlton ›get your gun‹ Heston als El Cid (neben Sophia Loren, vgl. Georg Seeßlen, Erotik. Ästhetik des erotischen Films, Marburg 3. Auflage 1996, S. 83f.: »In den Historienfilmen wie etwa Attila, flagello di dio (Pietro Francesci, 1954) oder, später, El Cid (Anthony Mann, 1961) ist sie (Sophia Loren) von einer mehr aristokratischen Ausstrahlung als Gina Lollobrigida (auf die kommen wir noch); sie ist nicht, wie diese, unbewußte Auslöserin, sondern denkende und handelnde Person im geschichtlichen Drama, und ihre erotische Triebkraft ist an moralischen Rastern gebrochen. War Gina Lollobrigida eine unschuldige Provokation gegen die Hierarchie die Männerwelt (… [das hier ausgelassene präsentieren wir unten, wenn es um Gina Lollobrigida geht]), so entwickelt sich der Loren-Typus zu einer Art der weiblichen Bestätigung des dynastischen Prinzips.«) … – Nebenbei bemerkt: es gab bei allen Vorbehalten gegen Heston drei wirklich gute Filme mit ihm, nämlich der weiter oben bereits erwähnte Film von Orson Welles, Touch of Evil (1958), Franklin J. Schaffners Originalversion von Planet of the Apes (1968) und, an der Seite von Edward G. Robinson, Richard Fleischers Soylent Green (1973).
** Wegen Jean Delannoys Verfilmung von Hugos Notre-Dame de Paris aus dem Jahr 1957, in der Anthony Quinn den Quasimodo spielte … Gina Lollobrigida … hier das eben bei Sophia Loren ausgelassene: »… wie sie als schöne Zigeunerin Esmeralda als ein ›natürlicher Mensch‹ inmitten einer bizarren, besessenen und erstickenden (Männer-)Welt erschienen war, der die mühsam unterdrückten Triebregungen wieder erweckt, zugleich aber auch die Fähigkeit zu reiner Liebe schafft« (Seeßlen, Ästhetik des erotischen Films, a. a. O., S. 84.). Wie bei der Adaption von Ecos Roman, so blieb auch bei dieser Hugoverfilmung der weiblichen Protagonistin der im Roman vorgesehene Tod auf dem Scheiterhaufen erspart, vielleicht aus ähnlichen Motiven, die Schiller dazu veranlaßten, seine Johanna nicht verbrennen, sondern enthaupten zu lassen.

(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel V [Phase I – oder: Altlasten], 13. Oktober bis 2. November 2013 und Kapitel X [Phase IV – oder: modus vivendi], 7. bis zum 30. Januar 2014).

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