Mittwoch, 10. Juni 2015

Verleser

Anschließend unterlief Hans Köberlin ein Verleser, der ihm sehr gut gefiel: »Cioran hat oft darauf aufmerksam gemacht, daß die charakteristische Regung seines Denkens und Schreibens die Umkehrung eines Fluchs in eine Aufzeichnung gewesen sei«, las er, aber Sloterdijk hatte natürlich geschrieben: »Cioran hat oft darauf aufmerksam gemacht, daß die charakteristische Regung seines Denkens und Schreibens die Umkehrung eines Fluchs in eine Auszeichnung gewesen sei.«
(aus: ¡Hans Koberlin vive!, Kapitel I [Prolog], Von Anbeginn der Schöpfung bis zum Dienstag, dem 1. Oktober 2013).

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Statt »Das Denkmal an der Grenze seiner Sprachfähigkeit« (ein Buchtitel) las ich ›Das Denkmal für die Grenze der Sprachfähigkeit‹ und dachte, das sei der Titel eines Kunstwerks.

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Hans Blumenberg: »Diese Verlesung (statt ›si fractus illabatur / impavidum ferient ruinae‹ ›sic fratus illabitur …‹) ist die Wunschhandlung eines Theologen, den Konjunktiv des antiken Autors zum eschatologischen Indikativ seiner spezifischen Gewißheit zu machen.«

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Verleser bei einem Gedicht von Heinrich Heine: »… klingt das Lied auch nicht ergötzlich, / hat’s mich doch von Arbeit befreit.« Bei Heine steht jedoch: »hat’s mich doch von Angst befreit.«

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»Ich korrigiere die Fahnen der Lukian-Auswahl, die ich für Bompiani gemacht habe. In meiner Anmerkung zu Eine wahre Geschichte hatte ich geschrieben: ›Der Homer der Legende ist blind, weil der Tradition zufolge die Muse dem Dichter den Gesang (il canto) gibt und ihm das Augenlicht nimmt.‹ Aber der Setzer hat statt canto (Gesang) conto (Rechnung) gesetzt.«
(Alberto Savinio, Mein privates Lexikon, zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Richard Schroetter, Frankfurt am Main 2005, Stichwort Kalauer, S. 187).

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